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Wo bleibt die Urlaubswende?

Leinen los zur großen Kreuzfahrt ...
... mit dem großen Abenteuer in der Arktis ...
... oder zum Relaxen in Südseehütten ...
... oder in die großen Naturreservate, Tiere schauen?
Nein!
... sondern Havenwelten.de in Bremerhaven mit Auswandererhaus (Bild 1), Klimahaus (2, 3: Klimareise entlang des 8.  Längengrads), Zoo am Meer (4), Schifffahrtsmuseum (im Umbau), Marina, Hotel, Outlet,  ... in bester Citylage: Alles bereit für eine interessante Weltreise in der Heimat! Fotos: Heiko Jacobs von 2016

Zugleich eine Erwiderung auf Ute Riegers „Ressourcen schonen“ im Heft 2/2022

Ressourcen schonen durch Fernreisen? Und wir dürfen auch niemanden mehr kritisieren, der sie unternimmt? Ernsthaft?

Natürlich ist die Beurteilung der persönlichen Situation im Einzelfall eine schwierige Sache und man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Aber darf man deshalb niemanden mehr kritisieren und soll auf Kritik ganz verzichten? Sicher nicht. Mit dieser Argumentation kann man letztlich alles rechtfertigen und darf gar nichts mehr kritisieren. Und selbstverständlich ist das eigene Verhalten in Sachen Klimaschutz auch eine moralische Frage.

Fakt ist auch, dass der Großteil der Westeuropäer mehr Wohnfläche belegt, als im Sinne des erforderlichen Klimaschutzes, Artenschutzes und Stopps der Flächenversieglung vertretbar ist. Alleinstehenden, die sich nicht für eine Wohngemeinschaft entscheiden können, verhagelt allein schon der Wohnraum regelmäßig die persönliche Klimabilanz — auch mir. Bei Familien sieht es meist besser aus — bis die Kinder aus dem Haus sind und die Wohnung dann oft auch zu groß und alles andere als klimaverträglich ist. Sich zu verkleinern. das würde meist Umziehen bedeuten, ist in Zeiten knappen Wohnraums gar nicht so einfach umzusetzen und eine beschwerliche Angelegenheit — umso älter, umso mehr.

Anders sieht das beim Reiseverhalten aus, wo Veränderungen meist problemlos möglich sind. Während die Energiewende und die Verkehrswende in aller Munde sind — wenn auch nur sehr beschränkt in der Umsetzung in der Praxis —, hört man von einer Tourismuswende hingegen nichts. Dabei gehören gerade Flugreisen und Kreuzfahrten mit zum klimaschädlichsten Verhalten. Das — sehr wohlwollend — mit 1,5 t CO2-Äquivalenten angesetzte klimaverträgliche Jahres(!)budget eines Menschen ist bei einer Kreuzfahrt spätestens nach 2 Tagen auf See überschritten, woran Landgänge auch nichts Wesentliches verbessern. Bei Flugreisen ist es mit Ausnahme einiger weniger Reiseziele in Nordafrika schon durch Hin- und Rückflug in alle Destinationen außerhalb Europas verbraucht, bei Fernreisen häufig um ein Mehrfaches. Auch jeder Flug innerhalb des Kontinents fällt massiv ins Gewicht.

Wenn die Corona-Pandemie überhaupt eine gute Seite hatte, dann doch die, dass der überwiegende Teil der Passagierflugzeuge am Boden blieb und der Kreuzfahrschiffe vor Anker lag. Die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie wurden dadurch gleichzeitig deutlich gedämpft. Von der Kaufkraft, die sonst ins Ausland abgeflossen wäre, profitierten allen voran Möbelgeschäfte und Baumärkte und viele mehr. Die Hoffnung, dass die Branche das Niveau vor 2020 so schnell nicht wieder erreichen würde, hat sich allerdings schnell zerschlagen. Noch vor Ende der Pandemie sind neue Rekordzahlen in Sicht. Ob „die meisten Menschen erkannt haben, dass unsere Lebensgrundlagen massiv bedroht sind“, muss man da doch sehr bezweifeln. Als im Sommer 2022 — zum Glück — noch viele Flüge wegen Personalmangels ausfielen, war kein einziger Politiker zu vernehmen, der das eigentliche Problem an den Flughäfen benannte. Mitten in der Energie-, Ukraine- und Klimakrise kann es nur eine Empfehlung geben: von Urlaubsflügen abzuraten. Ebenso wie von mindestens so gemeinschädlichen Kreuzfahrten. Stattdessen liefen in Berlin gleich drei Bundesminister verschiedener Couleur zum Krisengipfel auf, um möglichst schnell möglichst viele Flugzeuge in der Luft zu sehen. Ähnlich peinlich war die Reaktion der politischen Klasse, als sog. Klima-Kleber es im November auf die Landebahn des Berliner Flughafens schafften. Man mag zur „Letzten Generation“ stehen wie man will, mit der Aktion am Flughafen hat es definitiv die Richtigen erwischt. Dass dann selbst der Vorsitzende der Grünen Omid Nouripour in allen Medien zitiert wurde, es sei „nicht akzeptabel, wenn Menschen nicht in den Urlaub könnten“, ist eine Bankrotterklärung grüner Klimapolitik.

Genauso unglaubwürdig ist es, wenn diejenigen, die sich den Klimaschutz in der Region angeblich auf die Fahnen geschrieben haben, die Beteiligung an dem überflüssigen Regionalflughafen Karlsruhe/Baden-Baden mit der Begründung verteidigen, ansonsten würde man den Einfluss auf die grüne Entwicklung dieses Flughafens verlieren. Dessen Funktion besteht fast ausschließlich darin, Urlaubsflüge anzubieten, was in der derzeitigen Krisensituation vollkommen indiskutabel ist. Man kann und darf es noch deutlicher formulieren: Wenn mitten in der größten Energiekrise, die wir seit 50 Jahren oder seit dem Zweiten Weltkrieg haben, und mitten in der Klimakatastrophe, die ganz in der Nähe in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Belgien im Sommer 2021 mindestens 222 Menschen das Leben gekostet hat, jemand sich in ein Flugzeug setzt, um sich irgendwo an den Strand zu legen, ist das für mich einfach nur noch asozial. Wird es besser dadurch, dass ein Museum, ein Konzert oder ein Nationalpark besucht werden soll? Wohl kaum. Dem Klima ist es herzlich egal, was der Grund der Reise ist. Fliegen ohne triftigen Grund sollte daher ganz unterbleiben, solange die Möglichkeit klimaneutraler Fortbewegung in der Luft nicht zur Verfügung steht.

Die gängige Ausrede auf die vermeintliche Möglichkeit einer Kompensation ändert daran nichts. Die Zahl derjenigen, die das versuchen, ist — anders als die Zahl derjenigen, die es als Ausrede verwenden — so verschwindend gering, dass es eigentlich gar nicht lohnt, darüber zu schreiben. Wo soll die Kompensation auch in dem erforderlichen Umfang herkommen? Das bisschen, das (vielleicht) zur Verfügung steht, reicht selbst für den (vielleicht) notwendigen Flugverkehr nicht ansatzweise aus. Oft taugt sie auch nicht ansatzweise, was sie verspricht. Bäume pflanzen ist gut fürs Klima, aber als Kompensation schon wegen der langen Laufzeiten und vielfältigen Unsicherheiten vollkommen ungeeignet (nachzulesen bei Atmosfair). Aber selbst wenn die Konzepte für die Kompensation besser sind, ändert das nichts daran, dass durch den Flug oder die Kreuzfahrt in wenigen Stunden oder Tagen im Vergleich zum Ist-Zustand enorme Mengen an CO2 in die Luft gepustet werden, die dort über Jahrzehnte verbleiben und den Klimawandel anheizen.

Klar sein muss auch, dass diejenigen, die schon immer geflogen sind und ihr CO2-Budget damit auf Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte aufgebraucht haben, bis auf weiteres überhaupt kein Recht mehr zu Flügen ohne triftigen Grund haben. Die wenigen Flüge, die in den nächsten Jahren nach und nach klimaneutral zur Verfügung stehen, gehören denen vorbehalten, die bislang nicht geflogen sind.

Der VCD hat übrigens irgendwann Karten drucken lassen, in denen einfach nur das Wort „Klimakiller“ steht. Nicht nur, aber gerade bei der Jugend der Fridays for Future fanden sie reißenden Absatz, die sie auch schon einmal gerne mitnahm, um das elterliche Auto damit zu verzieren. Die Wertung, wann das Prädikat „Klimakiller“ gerechtfertigt ist, ist individuell sehr unterschiedlich. Wer die Karten verteilt, wissen wir nicht. Aber mit schöner Regelmäßigkeit bekommen wir Klagen angedroht oder zuletzt wurde auch schon einmal die Polizei wegen vermeintlicher Sachbeschädigung (oder so) eingeschaltet, nur weil eine dieser Karten unter dem Scheibenwischer eines Fahrzeugs steckte. Dabei kann man wie bei allen, die sich über die Waschlappendiskussion des letzten Jahres aufregen, nur sagen: „Erwischt!“ In der Logik von Ute Rieger müssten wir diese Karten allerdings wieder einstampfen. Schließlich stellen sie eine gezielte Kritik eines Einzelnen dar.

Reiner Neises

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