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Neue Mittelflurer — Noch auf Abstellgleis: Probleme mit Bremsen und Türen; Foto: Heiko Jacobs

Aufruhr im AVG-Land

Für Wirbel kurz vor der OB-Wahl in Karlsruhe sorgte eine Pressemitteilung des Chefs der Albtalbahn (AVG), Walter Casazza, zusammen mit dem damaligen OB Heinz Fenrich, die beide das erfolgreiche Karlsruher Modell durch Ausschreibungen gefährdet sahen.

Früher fuhren Bundesbahn oder andere Bahnen Schienenverkehr als Daseinsvorsorge.

... oder auch nicht und es wurde stillgelegt. Ob so „früher, wo alles besser war“, immer die beste Lösung rauskam, sei dahingestellt. Heute ist „Die Bahn“ privatisiert. Dabei ist sie als „Privatier“ auf Gewinn ausgerichtet, das klamme Land als Zahler auf Sparen. Für letzteres darf kein Monopol entstehen.

Soweit die Theorie, die in Baden-Württemberg etwas hinterherhinkt, denn die alte Landesregierung hat die Bahn, die das Großprojekt „Stuttgart 21“ schon aufgeben wollte, mit einem großen exklusiven, aber wohl auch überteuerten Verkehrsvertrag zum Weitermachen „bewegt“ ... Die neue Regierung muss dieses Manko nun ausgleichen, die Verkehrsleistungen wohldosiert Netz für Netz ausschreiben, auch hoffend bessere Preise zu erzielen, um den hohen Nahverkehrsstandard im Land zu halten oder gar noch auszubauen.

Dieses Prinzip stößt teils auf Probleme. Nicht überall passen historisch gewachsene Strukturen zum Modell der (europaweiten) Ausschreibungen. Für Straßenbahnen, bei denen im Verbund mit den Stadtwerken Verluste ausgeglichen werden, gibt es nun Lösungen ohne Ausschreibungen, wenn sie anderswo nicht mit anderen Bahnen konkurrieren.

Ein weiteres Problem taucht überall dort auf, wo es technische Sonderlösungen gibt, die es nicht von der Stange gibt. Jemand, der sich in Konkurrenz zur bisherigen Firma, die ausschließlich über passende Spezialbahnen verfügt, an Ausschreibungen beteiligt, hätte bei Erfolg ein Problem ... Generell haben Kleine Probleme, rechtzeitig genug Fahrzeuge zu bekommen bzw. sitzen, wenn sie in x Jahren ein Netz verlieren würden, auf ihren nicht mehr benötigten Bahnen. Anderswo arbeitet man mit landeseigenen Fahrzeugpools, die dann vermietet werden (z. B. Niedersachsen).

Im Karlsruher Modell kumuliert sich nun eine ganze Reihe von Problemen: Technische und rechtliche Sonderlösungen (Zweisystembahnen, nicht nur für verschiedene Stromsysteme, sondern auch Radsätze, mehrere Betriebsordnungen etc.) unterwegs auf DB-Gleisen, Pachtgleisen, eigenen AVG-Strecken, innerstädtischen Strecken der Straßenbahn, ...

Ende November 2012 stand nun das weitere Vorgehen des Landes in Sachen Ausschreibungen fest und man informierte die Öffentlichkeit und vorab u. a. auch die AVG: mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/114877 Dort steht zwar einerseits, dass es in unserem Netz (neben S-Bahn Breisgau u. RheinNeckar) eine problematische Kostenstruktur gäbe, die „umfangreiche Optimierungsprozesse“ nötig mache, aber auch klar: „Für die Netze dieser Gruppe [incl. KA] sind aus unterschiedlichen Gründen europaweit offene Ausschreibungen zurzeit nicht tragfähig. Es handelt sich um Netze, die im Hinblick ... speziellen Fahrzeuge (... Stadtbahnsysteme) ... derzeit nicht zielführend in einem offenen Vergabeverfahren ausgeschrieben werden können.“ Selbst der „Optimierungsbedarf“ ist eher positiv zu lesen, geht es doch darum, dass der über Landesniveau liegende ÖV-Standard auch durch Zuschüsse der Kommunen zustande kam dank geschickter Verhandlungen vom Ex-Chef Dieter Ludwig, und wie man dies weiterführt.

Karlsruher Modell in Gefahr? Mitnichten!

Trotzdem sahen Fenrich und Casazza das Karlsruher Modell in ernster Gefahr, sprachen vom Auftrennen der Linien am Bahnhof, dass man nicht mehr umsteigefrei in die City käme, s. ka-news.de/1023461 oder KVV. Trotz sofortiger Dementis der Karlsruher Grünen und der grünen Karlsruher Staatssekretärin im Verkehrsministerium, Gisela Splett, plapperte die CDU die Meldung „ihres“ OB nach.

Warum die Falschmeldung? Womöglich war ein Missverständnis der Auslöser. Offenbar wurde im Zuge der Unterrichtung des Aufsichtsrates die theoretische Möglichkeit angerissen, eine Trennung von Eisen- und Straßenbahnanteil könne die Ausschreibung vereinfachen. Klar, sowas ginge. Nur dass dies vom Ministerium niemand will, sollte klar geworden sein, wenn nicht bei der Präsentation, dann beim Lesen der Unterlagen! Womöglich war die OB-Wahl drei Tage später ein Faktor, bloß wer da für wen Partei ergriff ...? Womöglich ist man auch übernervös. AVG, VBK, KASIG, KVV und damit auch ihr Chef Casazza stehen seit langem wegen Baustellen-Chaos, Verspätungen, Tariferhöhungen etc. stark in der Kritik: Berechtigte Angst um den Job?

„Rettungsanker“; Foto: Heiko Jacobs

Fakt ist, dass Verträge für das Karlsruher Netz Ende 2013 enden. Im Wettbewerb kann man es mit dem derzeitigen Modell des Eigentums an den Zweisystembahnen nicht ausschreiben. Andere Modelle wären nur lang- bis mittelfristig denkbar. In Gefahr wären die Strecken, für die man keine Zweisystemer braucht wie beim Durchfahren von Karlsruhe, Heilbronn, Wörth, Bad Wildbad. Das träfe derzeit die Linien S31/S32 und S9. Erstere war mal für eine Stadtstrecke vorgesehen: Durlach — „Gleisbauhof“ — Ettlinger Tor — Hauptbahnhof — Ettlingen-Stadt — Bruchhausen. Das verbaut man sich just am Ettlinger Tor mit der U-Strab ... Der Südast ist planfestgestellt, eine Finanzierung ist aber nicht absehbar, für den Nordast ist aber noch keine Alternative absehbar. Bekommt eventuell die „Zweite Rampe am Hbf“ (ein alter Baustein der U-Strab-Alternativen) eine zweite Chance? Sie wäre auch mit U-Strab sinnvoll, böte sie doch jeder Zweisystemlinie Hbf- UND City-Anbindung! ... und „rettet“ auch die S31/S32 vor Ausschreibung. Die Durchfahrung Bruchsals einer verlängerten S2 (incl. evtl. S9) ist dagegen jüngst am Nutzen-Kosten-Faktor gescheitert.

Wenn sich keine Lösung fände, könnte die AVG schlimmstenfalls diese Linien verlieren, aber zu einer Auftrennung erfolgreicher umsteigefreier Zweisystemlinien, für die gerade neue Bahnen ausgeliefert werden, wird es mit dieser Landesregierung sicher nicht kommen!

Verspätungsrekord!

Eventuell Grund für die Panik war die vernichtende Bilanz der Zuverlässigkeit der AVG-Linien. Das Land hat nach EU-Recht eine Berichtspflicht: mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/105719 Schon nach dem Bericht 2010 ist der Pünktlichkeitswert von 95 % 2007+2009 bzw. 94 % 2008 auf 90 % 2010 gesunken und liegt erstmals deutlich unter den Werten anderer Netze (94 % bis 99 %), 2011 sank sie nochmals ½ %. Natürlich wird zu Recht in Diskussionen kritisiert, dass man Äpfel mit Birnen vergleicht, wenn man die 99 % des relativ ungestört fahrenden „Seehas“ mit unserem Fußgängerzonenslalom vergleicht, aber bis 2009 konnten wir immerhin noch Anschluss an den „großen Verkehrsvertrag“ mit auch 94 %—95 % von DB Regio halten! Ursachen gibt es viele, aber den Sprung dürften die U-Strab-Baustellen verursacht haben. Derzeitige „Gegenmaßname“: Der Fahrplan der besonders unzuverlässigen S5 bekam 10 min Luft in den Außenästen Pforzheim — Wörth, um die Stadtverluste dort reinzuholen, gut für Statistik und Anschlüsse, schlecht für die Konkurrenz zum Auto ...

Mehr Zuschussbedarf

Im Januar kam die Meldung hinzu, dass die Zuschüsse des Landkreises an die AVG drastisch steigen müssen von 8 Mio. € in 2012 auf 14 Mio. € in 2013 bis „weit über 20 Mio. €“ in Zukunft. Gründe seien laut BNN Lohnerhöhungen und Fahrzeuganschaffungen. In der Tat müssen die neuen Mittelflurer, bei deren Inbetriebnahme es weiterhin Probleme gibt, ab 2013 bezahlt werden, und zwar voll, da die Grünen ihr Wahlversprechen, die Fahrzeugförderung wieder einzuführen, leider noch nicht umsetzen konnten, da derzeit noch das Geld dafür fehlt: 4,3 Mio. €/Bahn, davon 16 Bahnen (68,8 Mio. €) vom Landkreis. Löhne sind eigentlich nichts Überraschendes und sollten in den Preiserhöhungen drin sein. Spannend wird die Meldung aber im Zusammenhang mit der oben erwähnten zu optimierenden „problematischen Kostenstruktur“, denn hier stecken ja die Extrabeteiligungen der Kommunen drin, die es neu zu verhandeln gilt, damit das hohe Niveau erhalten bleibt! Ob das so klappt?

Heiko Jacobs

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/13

Stand des Artikels: 2013! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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