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Elektrifizierung der Strecke Wörth—Strasbourg

zur kurz- bis mittelfristigen Ertüchtigung der Oberrheinachse

Grafik: W. Pastorini

Die siebenwöchige Vollsperrung der Rheintalbahn zwischen Rastatt und Baden-Baden vom 12. August 11:03 Uhr bis zum 1. Oktober 24:00 Uhr zeigte die Verwundbarkeit der europäischen Eisenbahnachse Rotterdam —Genua auf, die insbesondere beim internationalen europäischen Gütertransport zu gravierenden Schwierigkeiten, der Gefahr industrieller Engpässe wegen Lieferschwierigkeiten und Schwächung der Wettbewerbsposition der Schiene führte.

Dass die Politik sich strategisch mit der Frage befasst, ob es sinnvoll ist, einen gesamteuropäisch so bedeutsamen Korridor wie die Strecke am Oberrhein derart singulär im Netz angeordnet zu belassen, ist noch wenig zu spüren. So besteht weiterhin das Risiko, bei einer Vollsperrung des gesamten Querschnitts der Rheintalbahn keine sonderlich leistungsfähigen Umleitungsstrecken zur Verfügung zu haben.

Bestehende Ausweichmöglichkeiten

Mindestens ein halbes Dutzend Umleitungsstrecken standen zur Verfügung. Eine wurde vom einzigen umgeleiteten Reisezug befahren, aber nicht über die gesamte Zeit. Nur ein Teil des Güterverkehrs nutzte die übrigen, zu groß waren die Restriktionen:

Negative Rückwirkungen auf die Verkehrsanteile der Bahn im Güter- wie im Personenverkehr kann man nicht ausschließen.

Das Streckennetz der Oberrheinischen Tiefebene

Zwischen Frankfurt/Mainz und Wörth/Karlsruhe —Rastatt verlaufen mehrere elektrifizierte Eisenbahnstrecken auf eigenen Trassen in Längsrichtung durch die oberrheinische Tiefebene, mindestens drei davon jeweils elektrifiziert. Auch von Strasbourg/Appenweier bis Basel gibt es wenigstens noch zwei eigenständig trassierte elektrifizierte Strecken, wenn auch zu unterschiedlichen Bahnen gehörend.

Zwischen Rastatt (Süd) und Appenweier verlaufen die modern ausgebaute Rheintalbahn und die Neubaustrecke Karlsruhe — Basel jedoch gebündelt auf einer Trasse und sind dadurch den Risiken einer alle Gleise betreffenden Havarie wie jene vom August 2017 bei Rastatt in erhöhtem Maße ausgesetzt. Die Länge dieses Abschnitts beträgt über 42 km.

Parallel hierzu verläuft nur die nicht elektrifizierte Strecke Wörth — Strasbourg; sie ist entsprechend ihres Eigenbedarfs in jeder Hinsicht eher minimal ausgestattet.

Südlich von Appenweier trennen sich Rheintalbahn und Neubaustrecke größtenteils wieder, nur auf Basel zu wird es nochmals drei kürzere Abschnitte absoluter Parallellage geben, wo der Gesamtverkehr auf der rechten Rheinseite derart eng gebündelt verläuft. Hier bestehen jedoch via Kehl und via Neuenburg Ausweichmöglichkeiten auf die dort leistungsfähig ausgebaute elsässische Strecke, auf denen sich Basel leicht erreichen lässt. Für Reisezüge, die nicht ins französische System, wohl aber ins schweizerische wechseln können, steht auch noch die Schwarzwaldbahn als beschränkt angängige Alternative zur Verfügung.

Beseitigung des kritischen Engpasses

Kritischster Teilabschnitt im gesamten Oberrheintal bleibt somit Rastatt — Appenweier. Für ihn stünden weiterhin nur die bisherigen Umleitungsstrecken mit ihren gegebenen Einschränkungen zur Verfügung. Umleitungen über Metz oder den Brenner sind sehr weiträumig, wie alle anderen dauerhaft lasteingeschränkt, weil nirgendwo zwischen Nordsee und Alpen so geringe Steigungen zu finden sind wie entlang des Rheins (max. 6 ‰), wo auch die größten ausgebauten Lichtraumprofile existieren. Im engeren Raum kommen fehlende Elektrifizierungen und größere Eingleisigkeiten hinzu, die auch durch beschlossene Ausbaupläne (z. B. Elektrifizierung Ulm —Lindau) nur teilweise behoben werden. Neigungen > 17 ‰ bleiben erhalten (Geislinger Steige, Schwarzwaldbahn).

Die einzige Strecke, die tatsächlich so ausbaufähig ist, dass Güterzüge der Rheintalbahn ohne betriebliche Einschränkungen über sie umgeleitet werden könnten, ist Wörth — Strasbourg Gare Centrale; der Umweg innerhalb des Oberrheintals beträgt nur 30 Kilometer. Kein anderer ist so kurz und dieser der einzige, welcher keine größeren Neigungen aufweist als der direkte Weg. Richtungswechsel sind nicht erforderlich, mit geeigneten Lokomotiven und ausgebildetem Lokpersonal könnte ungehindert durchgefahren werden. Erforderliche Maßnahmen dürften trotz grenzüberschreitenden Verlaufs der Strecke vergleichsweise einfach und in geeignetem zeitlichen Rahmen (planungsrechtlich wie technisch) umzusetzen sein; sie ist zu mehr als 80 % zweigleisig und steht in regulärem Betrieb geringen Umfangs.

Wesentliche Nutzen für Fahrgäste und Güterkunden auch außerhalb des Umleitungszwecks sind als Nebeneffekt zu erwarten; bei einem optimierten Fahrplan mit durchgehenden Zügen Strasbourg — Wörth könnten an den Streckenenden wie auch in der Streckenmitte in Rœschwoog günstige Anschlüsse hergestellt werden.

Strasbourg — Rœschwoog (36 km) und Rœschwoog — Lauterbourg (19 km) sind zweigleisig, Lauterbourg —Wörth (12 km) ist nur eingleisig. Auf vorhandener zweigleisiger Trasse kann die sowohl für obige Fahrplanvariante als auch für mehr als eine Güterzugumleitungstrasse pro Stunde und Richtung erforderliche Doppelspurinsel im Bereich Berg — Neuburg verhältnismäßig einfach erstellt werden. Mit der Elektrifizierung der 67 km langen Strecke muss die Herstellung des gleichen Lichtraumprofils wie auf der Rheintalbahn einhergehen — die Einschränkungen resultieren aus einigen wenigen Brücken, die über die Strecke führen. Die Signalanlagen sind zu modernisieren, am besten in Verbindung mit einer ETCS-Ausrüstung der Strecke, wie es den europäischen Vereinbarungen entspricht. Ein gut abschätzbarer und überschaubar bleibender Kostenrahmen sollte möglich sein.

Europäische Einbindung und Schrittmacher für lokale Projekte

Der Regionalverband Mittlerer Oberrhein von PRO BAHN und der Kreisverband Karlsruhe des VCD haben dieses Projekt bei der Oberrheinkonferenz angemeldet, damit wirksame politische Aktivitäten ergriffen werden, um zu einer zeitnahen Elektrifizierung und Ertüchtigung dieser Strecke zu gelangen. Es würde sich nahtlos in die Bestrebungen einreihen, die deutsch-französische Zusammenarbeit zu forcieren und sie mit grenzüberschreitenden Projekten zu untermauern. Eine finanzielle Beteiligung der EU am Projekt wäre zu erwarten und würde die Umsetzung erleichtern.

Von einer durchgehenden linksrheinisch elektrifizierten Strecke profitieren nicht nur die europäische Logistik, sondern auch die regional eingeleiteten, grenzüberschreitenden Nahverkehrsverbesserungen des Eurodistrikts Pamina im Oberrheingebiet zwischen Strasbourg und Karlsruhe, Wörth und Landau/ Speyer. Weitere Zukunftsoptionen mit z. B. einem vollständigen zweigleisigen Ausbau Wörth — Lauterbourg oder der Reaktivierung der Strecke Rastatt — Rœschwoog würden dadurch begünstigt, sind aber keine Voraussetzung für diese Maßnahme.

Willy Pastorini

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/18

Stand des Artikels: 2018! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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