zum Text umwelt&verkehr karlsruhe
   Forum 
 > Hefte < 
 Infos etc. 
Startseite
Start
Sitemap
Impressum
   Themen-Index   Autoren   Verbände   Termine   3/23   2/23   1/23   2/22   1/22   2/21   1/21   2/20   1/20   3/19   2/19   1/19   3/18   2/18   1/18   3/17   2/17   1/17   3/16   2/16   1/16   3/15   2/15   1/15   3/14   2/14   1/14   3/13   2/13   1/13   > 3/12 <   2/12   1/12   3/11   2/11   1/11   3/10   2/10   1/10   3/09   2/09   1/09   3/08   2/08   1/08   3/07   2/07   1/07   3/06   2/06   1/06   3/05   2/05   1/05   3/04   2/04   1/04   3/03   2/03   1/03   Download 
<<<  Neues aus der BUZO   > Gemüse in der Stadt <   Arktisches Eis: Rekordminimum  >>>
  BUZO   
Gemüsebeet in Andernach. Foto: Joh. Meister
Lutz Kosack (rechts) erläutert den BUZO-Aktiven das Projekt in Andernach. F.: M. Däschner
Mobiler Lehrgarten, der bei Bedarf an die Schulen fährt. Foto: Mari Däschner

Neues aus der BUZO

Gemüse in der Stadt

Urbane Landwirtschaft, Guerilla Gärtner, Urban Farming, Gemeinschaftsgärten, ... — es tut sich was seit einigen Jahren in Deutschlands Städten. In Karlsruhe bisher noch nicht so viel — oder vielleicht doch?

Bei genauerem Hinsehen lässt sich in so manchen öffentlichen Beeten mitten in der Stadt schon Neues entdecken. Da blüht dann plötzlich Kapuzienerkresse auf einer Baumscheibe zwischen den parkenden Autos, wo zuvor noch der im Stadtgrün meist angepflanzte Cotoneaster keinen anderen Bewuchs zuließ. Oder Ringelblumen und Prachtwinden bringen auf einmal Farbe ins Straßengrau, statt Abfall und Hundekot schmücken neuerdings Buschbohnen und Tomaten das Beet vor dem Mietshaus und manche bekannten Küchenkräuter verströmen ihren Duft neben dem Gehweg, weil ein unbekannter Nachbar hier Pflanzensamen ausgestreut hat. Immer mehr Stadtbewohner erobern sich auf diese Weise öffentlichen Raum zurück, übernehmen Verantwortung, greifen mit oder ohne Erlaubnis von städtischen Ämtern zu Handschuhen und Schaufel und beginnen mit Gartenarbeiten direkt vor der Haustür.

In vielen Städten haben sich längst Bewohner von einzelnen Vierteln zusammen getan und bewirtschaften auf ehemals brach liegenden städtischen Flächen ganze Gemüsegärten. So entstehen nicht nur Selbstversorger-Inseln mitten in der Stadt. Viele dieser Gemeinschaftsgärten haben sich zu sozialen und interkulturellen Treffpunkten entwickelt, in denen gemeinsam im Boden gewühlt, gewässert, mit Sorten experimentiert und natürlich geerntet und gefeiert wird. Doch im Vergleich zum Ausland „sind wir in Deutschland hier eher Entwicklungsland“, wie Lutz Kosack, Geoökologe bei der Stadtverwaltung von Andernach betont. Wie die vielen englischen Begriffe schon andeuten, sind Urban Gardening und all seine Variationen zum Beispiel in Großbritannien und den USA schon viel weiter verbreitet.

Während in den meisten Großstädten in Deutschland Initiativen aus der Bevölkerung mit der urbanen Landwirtschaft anfingen, ist die Stadt Andernach einen ganz anderen Weg gegangen: Der Anstoß kam hier aus der Stadtverwaltung, und im Jahr 2010 fing man an, gleich an der Stadtmauer Teile des städtischen Einheitsgrüns und der Rasenflächen in Gemüsebeete umzuwandeln, in denen unter anderem 100 Tomatensorten angepflanzt wurden. „Am Anfang haben die mich erst mal alle für bekloppt erklärt“, schmunzelt Herr Kosack, aber spätestens beim Tomatenfest waren die Kritiker überzeugt. Das Projekt wurde ein Riesen-Erfolg und ist mittlerweile fester Bestandteil des Stadtmarketings. Nach dem Motto „Pflücken erlaubt“ darf sich jede/r BürgerIn ernten, was da so wächst, und das ist auch durch den Anspruch, die Biodiversität und seltene Arten zu fördern, eine ganze Menge: Ob Grünkohl, Salat, Zucchini oder auch Wildblumenwiesen — es wächst und gedeiht in einer unglaublichen Vielfalt dank der fachkundigen Pflege von Langzeitarbeitslosen. So wird das zentral gelegene Gemüsebeet wieder zum sozialen Treffpunkt, es wird über Lebensmittel und Gemüsesorten gesprochen, Umweltbildung wird anschaulich praktiziert. Diese Multifunktionalität der Flächen, von der Lutz Kosack besonders gerne spricht, überzeugt völlig. Hier bekommen Menschen mit einer sinnvollen Beschäftigung wieder eine Perspektive, früher eher langweilige Flächen erhalten eine ganz neue Ästhetik, produzieren dabei nachhaltig und ortsnah Nahrungsmittel für die Bewohner der Stadt, fördern die Biodiversität, sind Begegnungsstätten für Bürger/innen und Lebensraum für seltene Tierarten. Dabei wird das Ganze nach ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftet: Der Einsatz von Herbiziden ist ebenso tabu wie die Verwendung von Torf, gedüngt wird nur organisch, und viele Elemente der Permakultur werden berücksichtigt. Den entscheidenden Beitrag dazu leistet die seit 2007 bestehende 14 Hektar große Permakultur-Anlage „Lebenswelten“ in einem etwas außerhalb liegenden Stadtteil von Andernach, wo auch selten gewordene Nutztierrassen gehalten werden. Hier werden Gemüsepflanzen und Stauden vorgezogen, die dann später im Zentrum von Andernach in die Beete kommen. Indem das Gemüse aus dieser Anlage in der Lebenswelten-Kantine verkocht wird, erhalten Menschen teilweise erstmals Zugang zu Biolebensmitteln, die sie sich sonst nicht leisten konnten. Ansonsten wird durch den Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte im Fairregio, einem Laden in Andernach, Geld erwirtschaftet, das wieder in das Projekt fließen kann. Eine ganze Menge Geld einsparen kann die Stadtverwaltung übrigens durch die Umwandlung von kosten- und arbeitsintensiven Wechselbeeten, wie wir sie ja auch in Karlsruhe zum Beispiel am Friedrichsplatz gut kennen, in mehrjährige Staudenbeete. Das Geld kann dann wieder in Saatgut, Gemüse oder andere Posten des Projekts investiert werden.

Das Beispiel von Andernach ist so faszinierend, dass sich die Frage aufdrängt, ob wir etwas Ähnliches nicht auch in Karlsruhe praktizieren können. Und schon kommen Antworten. Von Seiten des Amtes für Umwelt- und Arbeitsschutz gibt es schon eine Menge offener Ohren beim Thema, und ganz in der Nähe werkelt sogar schon eine Initiative im Gemeinschaftsgarten: Die „Ackerdemie“ in Durlach. Und wer aufmerksam durch Karlsruhes Straßen spaziert, wird an so manchen Stellen längst die grünen Spuren von Guerilla-Gärtnern und anderen StadtbewohnerInnen finden, die sich nach einem nachhaltigen Leben in der Stadt sehnen ... Es tut sich also doch schon was in Karlsruhe.

Die kommende Winterzeit ist eigentlich genau richtig zum Planen und Vorbereiten, dann könnten wir vielleicht schon im nächsten Frühjahr ein kleines grünes Wunder in Karlsruhe erleben. Wer Interesse an einer Arbeitsgruppe „Karlsruher Gemüsegärten“ hat, kann sich gerne im Umweltzentrum melden.

Mari Däschner

www.heike-boomgaarden.de/projekte/

projekt-andernach-unsere-stadt-blueht-auf/

www.ackerdemie.org

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/12

Stand des Artikels: 2012! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

Diskussionen


hoch