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Fast nur Radfahrer auf d. Bild: So geht Verkehrswende! Leider „nur“ die Critical Mass 3/17; Fotos: Heiko Jacobs |
Städte sind in Bewegung: Bürger*innen fordern mehr Lebensqualität im öffentlichen Raum und setzen sich für eine menschen- und umweltgerechte Mobilität ein. Eine Verkehrswende soll Städte lebenswerter machen.
Städte stehen im Stau: Die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich steigen weiter. Lärm- und Schadstoffbelastungen sind unvermindert hoch. In immer mehr Städten in Deutschland drohen Diesel-Fahrverbote. Schwächere Verkehrsteilnehmer*innen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, sind oft Opfer von schweren Unfällen.
Ruedi Ott, bis 2013 verantwortlich für Verkehrsplanung in Zürich, führte aus, dass man in der Schweiz schon wesentlich weiter ist. Die Bevölkerung denke oft progressiver als Politiker, daher begann man schon seit den 70er Jahren, oft durch Volksentscheide erzwungen, mit Fahrradförderung, Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung und flächendeckender ÖV-Versorgung. Auch in den Niederlanden wurden schon vor Jahrzehnten die Weichen für eine fahrradfreundliche Verkehrspolitik gestellt. Wir hinken da leider weit hinterher.
Der Abschied von der autogerechten Stadt führt zu Konflikten um den wertvollen Raum in der Stadt, von dem das Auto einen viel zu großen Teil beansprucht. In Zürich dürfen z. B. seit Jahrzehnten keine neuen Parklätze ausgewiesen werden, für den Bau eines Parkhauses müssen entprechend viele Straßenparkplätze wegfallen.
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn räumte ein, dass die Stadtverwaltung gegen einen mächtigen Autokonzern kaum etwas durchsetzen könne, sondern nur in Kooperation mit ihm. Dennoch gebe es auch in Stuttgart Fortschritte bei der Fahrradförderung und der Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs. Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann hatte es nicht leicht, Skeptiker von den Fortschritten in der Landesverkehrspolitik, die er ausführlich darstellte, zu überzeugen. Auf den Vorwurf, dass der Weiterbau von Stuttgart 21 eine Rolle rückwärts in der Verkehrspolitik sei, wollte er allerdings nicht eingehen.
Ein Glanzpunkt war der Vortrag von Heinrich Strößenreuther, „Verkehrsrebell im schwarzen Anzug“ (DIE ZEIT), Deutschlands bekanntester Fahrrad-Aktivist und Mitinitiator des Volksentscheid Fahrrad in Berlin. Seine These als Hilfe für Politiker, die Gutes wollen, aber sich gegen die Autolobby nicht trauen: Wir müssen dafür sorgen, dass sie mehr Angst vor Radfahrern als vor Autofahrern haben. Wenn sie z. B. bei einem Antrag zur Reduzierung von Parkplätzen scharfen Gegenwind bekommen, brauchen sie unsere Unterstützung durch eine Soli(daritäts)-Demo.
An den vielleicht wichtigsten Aspekt, der zunächst etwas zu kurz kam, wurde von Jobst Kraus vom BUND Baden-Württemberg eindringlich erinnert: Die Auswirkungen von Verkehr auf die Klimaentwicklung. Es ist keine Zeit mehr zu verlieren mit halbherzigem Klein-Klein. Unser Budget an Treibhausgasen, das wir an die Atmosphäre abgeben dürfen, ist bald erschöpft und die Warnungen der Klimaforscher werden immer alarmierender. Deshalb sind drastische und schnell wirksame Maßnahmen nötig.
In den Arbeitsgruppen bewies Anne Pelzer, dass Lieferverkehr per Lastenrad auch in Stuttgart möglich ist. Ein gelungenes Beispiel für die Umgestaltung des Straßenraums zeigte der Oberbürgermeister von Leonberg. Einrichtung einer Tempo-30-Zone, Abbau des Schilderwalds und Pflasterung in der Hauptdurchgangsstraße führte zu einer deutlichen Verkehrsreduzierung, da dieser „Schleichweg“ zur Umgehung von Staus auf der Bundesstraße unattraktiv wurde.
In der Diskussion wurde gesagt, dass angesichts des Klimawandels Straßenbau nicht mehr verantwortbar ist. Eine bessere Städteplanung und Siedlungspolitik soll zu kürzeren Wegen führen. Anstatt der autogerechten Stadt brauchen wir als Vision die autofreie Stadt, die den Menschen die Stadt zurückgibt und hohe Lebensqualität verspricht. Die notwendige und gewünschte Mobilität ist dabei genauso gut oder sogar besser möglich.
Schließlich wurde immer wieder betont, dass Politiker den Schub aus der Bevölkerung brauchen, und sie brauchen Unterstützung durch Aktionen. Hier ist jeder von uns gefragt.
boell-bw.de/veranstaltungen/dokumentation-2018/verkehrswendekonferenz-sued/
boell.de/de/kommunale-verkehrswende
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/19
Stand des Artikels: 2019! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.