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Wie bei vielen Verkehrsprojekten wird auch über die Verlängerung der Turmbergbahn in der Öffentlichkeit heftig diskutiert. Auch innerhalb der Mitgliedschaft von BUZO und VCD gehen die Meinungen auseinander. Mit den einander gegenübergestellten Beiträgen möchten wir beiden Standpunkten Rechnung tragen.
CONTRA & PRO
Die Bürgerinitiative gegen die Verlängerung samt Petition:
zukunft-turmbergbahn.de
Bürger-Info der VBK zum Umbau:
vbk.info/unternehmen/news/detail/buerger-info-zum-umbau-der-turmbergbahn.html
„Projektierte Verlängerung der Drahtseilbahn“ im Stadterweiterungsplan 1908;
Foto von 2019 des im Pfinzgaumuseum aushängenden Plans, sowie blaues Kreuz darin für älteren Vorschlag für eine Talstation: Heiko Jacobs (Plan anklicken = größer) | |
Fahrweg samt Brücken dringend erneuerungsbedürftig, geradeaus die Wege Richtung Guggelensberg, rechts evtl. eine 2. Zwischenstation? Foto 2017: Heiko Jacobs |
Wagen und Bauten der Turmbergbahn sehen nicht gerade neu aus, aber dieser Charme der 1960er Jahre hat technisch nichts mehr mit dem Original von 1888 zu tun. Wer so etwas sehen will, muss sich die nur Monate jüngere Wiesbadener Nerobergbahn anschauen. Schon vor 1888 überlegte man, unsere Bahn länger zu bauen: Beim Besuch Ende 2019 im Pfinzgaumuseum hing dort ein Plan mit einer Talstation zwischen den heutigen Häusern Bergbahnstr. 3 u. 5, die ca. 140 m von der heutigen entfernt liegt, aber immer noch ca. 75 m von der B 3, siehe x oben.
Schon 20 Jahre nach Eröffnung dachte man über einen Umbau vom Wasserballastantrieb auf „elektrisch“ samt Verlängerung nach (s. a. Buch „Unter Strom“, S. 182). Anlass war die Verlängerung der Straßenbahn 1914 nach Durlach rein, der bis 1911 der alte Bahnhof zwischen heutiger Ernst-Friedrich- und Gritznertstr. mit ebenerdigem Bahnübergang im Weg war. Mit dem neuen Bahnhof wurde er durch eine Brücke ersetzt. Aber schon 1913 nahm man aus Kostengründen vom Umbauplan vorerst wieder Abstand. Die 8 m breite Freihaltetrasse wurde trotzdem beim Bau der heutigen Bergbahnstr. berücksichtigt: Ab ca. 1915 wurde die Südseite gebaut, die Nordseite nach altem Plan erst in den 1930er Jahren.
Wegen der in den 1960ern anstehenden Erneuerung überlegte man ab 1953 wieder eine „Elektrifizierung“ und Verlängerung, alternativ eine Umstellung auf Luftseilbahn. Es wurde nur ersteres, was immerhin einen Ganzjahresbetrieb ermöglichte, der Wasserballastantrieb war nur eingeschränkt wintertauglich.
Nun steht die nächste Erneuerung an: Die Betriebserlaubnis kann nicht mehr verlängert werden, da die Technik nicht mehr auf aktuellem Stand ist. Schienen und insbesondere Unterbau samt Brücken sind stark verbraucht, das Erneuern hat man sich in den 1960ern gespart. Die Bahn ist nicht barrierefrei und auch viele Kinderwagen passen nicht durch die Tür. Das heißt der Fahrweg muss abgerissen werden und auch die Gebäude, da sie kaum zu barrierefreien neuen Fahrzeugen passen würden. Praktisch alles ist also neu zu machen, dann auch gleich richtig, nämlich verlängern!
Gegner wenden ein, die Barrierefreiheit nütze nicht viel, da die Endhaltestelle ja nicht barrierefrei ist: Nun, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, der Umbau wird kommen müssen, nach der Gesetzeslage auch relativ bald. Es gäbe „oben“ auch kein Ziel, wo man ohne Hürden hinkäme: Das ist falsch, weil die neue Terrasse, wichtiges Ziel, incl. der Räume darin barrierefrei gebaut wurde, für anderes (wie Sportschule: 35.000 Übernachtungen/a!) siehe ggfs. „Rom“ ... Und der Weg würde nur um knapp 200 m verkürzt, es blieben noch 100 m zwischen den Bahnen: Nun ist der entfallende Teil aber gerade der mit den 20 m Höhenunterschied, der Mobilitätseingeschränkten die Nutzung der Bahn stark erschwert und für andere unattraktiv macht, dann doch lieber gleich ganz mit dem Auto hoch ...?
Natürlich gäbe es andere Möglichkeiten, die Lücke zu überwinden wie Schrägaufzug, (autonomer) Shuttlebus etc. Alles wurde geprüft, hat aber entscheidende Nachteile: Kapazität, Komfortverlust durch mehrfaches Umsteigen und vor allem Kosten bei Bau und insbes. Betrieb und Unterhalt zweier Systeme statt einem. Ein autonomer Shuttle, wie im Weiherfeld gerade mit Personal getestet, wird noch auf viele Jahre nicht genehmigungsfähig sein, wenn man schon automatisch betriebene Standseilbahnen einzäunen muss wie hier.
Apropos automatisch: Die so gesparten Kosten sind der Hauptgrund, warum zum einen die Betriebszeiten ausgeweitet werden können, was den Betrieb attraktiv macht, und zum anderen die Turmbergbahn in den KVV-Tarif integriert werden kann. Denn das war die Bedingung, um höhere Zuschüsse als Projekt des öffentlichen Nahverkehrs zu bekommen, die die Verlängerung für Karlsruhe erst bezahlbar machen. Diese Integration erhöht die Attraktivität der Bahn weiter, weil sie für ÖV-Nutzer nun ohne Zusatzkosten nutzbar sein wird. Ein anderweitiger Lückenschluss würde das alles aus Kostengründen vereiteln neben anderen Nachteilen.
Gemosert wird auch, weil der automatisierte Betrieb nach deutschem Recht eine ebene Querung verbietet und so die Straße für alle eben unüberquerbar macht: Es entstehen Umwege und auf der Nordseite fallen einige Parkplätze weg. Das hat aber auch Vorteile, denn so wird auch der Ampelumgehungsschleichverkehr durch das Wohnquartier unterbrochen und Turmbergbahnbesucher parken nicht mehr „oben“ im Wohnviertel, sondern „unten“, wenn sie nicht gleich mit der Bahn kommen, so ist ja die allgemeine Hoffnung. Für Fußgänger und Radfahrer gibt es eine brückenartige Unterführung anstelle der alten Talstation, dafür ist dort ausreichend Platz. Schön für die Portugiesen, dass ihre 2009 in Viseu gebaute Standseilbahn ohne unschönen Zaun mitten auf der Straße fahren darf wie schon in Lissabon seit 130 Jahren, was den anderen Umgang mit dem Thema erklären könnte. Dass die Vorschriften das hier anders fordern, darf ein Anlass sein, diese zu hinterfragen, aber keiner, um gegen die sinnvolle Verlängerung zu sein. Vorschriften können sich ändern, Zäune sind dann schnell wieder eingerissen.
Kritisiert wird auch, dass höhere Kapazität und längere Betriebszeit mehr Leute — und dies vor allem nachts — auf den Turmberg bringt, der im Landschaftsschutzgebiet liegt. Autofahrer können aber schon heute rund um die Uhr auf den Berg, man muss nur einen Fahrer finden, der nüchtern bleibt. Im Gegenteil bietet eine attraktivere Bahn die Chance, den Autoverkehr zu reglementieren und so auch die Besuchermenge insgesamt.
Schade klingt, dass man den Nutzen als in den ÖV integrierte Bergbahn nicht durch eine Mittelstation erhöht. Systembedingt müssten bei einer Standseilbahn immer beide Wagen gleichzeitig halten. Nur ein Halt in der Mitte läge aber ungünstig. Ein günstiger Halt nahe der heutigen Talstation läge außerhalb der Mitte, der zweite Wagen hielte dann im Nichts, es sei denn, man baut gleich zwei Zwischenhalte, was zeitlich keinen weiteren Nachteil brächte. Ein Halt unterhalb der heutigen Talstation brächte einen zweiten Halt nahe den Feldwegen in die Weinberge, interessant für Wanderer, eventuell aber sogar für einige Guggelensberganwohner, weil der Weg zur Bushaltestelle ähnlich weit ist. Der große Haken ist aber, dass sich die Fahrzeit mehr als verdoppelt und daher die Kapazität drastisch sinkt. Deswegen will man bisher auf Zwischenhalte verzichten.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/21
Stand des Artikels: 2021! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.