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Der TGV ist da

Der erste Tag mit TGV; Foto: Wolfgang Melchert

Zunächst etwas Geschichte

Im Jahre 1954 starteten die französischen Eisenbahnen ein Forschungsprogramm. Es sollten die Leistungsgrenze der elektrischen Lokomotiven untersucht werden sowie das Verhalten der Wagen bei hoher Geschwindigkeit und die Elastizität der Gleise, die Leistungsfähigkeit der Stromabnehmer und die Tauglichkeit der elektrischen Ausrüstungen bei großer Beanspruchung.

Die Versuche wurden mit einer Gleichstromlokomotive CC7121 und einem Dreiwagenzug auf einer geraden und ebenen Strecke südlich von Dijon gemacht. Man steigerte sich anfangs von ca. 180 km/h auf die für damalige Zeiten Weltrekordgeschwindigkeit von immerhin 243 km/h! Im Juni 54 wurden weitere Versuche unternommen mit einem neuartigen Stromabnehmer — einer der Schwachpunkte bei hohen Geschwindigkeiten — und es wurden 200 bis sogar 226 km/h erreicht. Selbst mit einem 430 t schweren Zehnwagenzug waren noch 160 km/h möglich.

1967 begann die Bahn ihren täglichen 200 km/h-Betrieb. Der erste planmäßige Zug war der “Capitole” zwischen Paris-Austerlitz und Toulouse. Der Erfolg war groß. Man fuhr eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 141 km/h. Das gab es damals nirgends in Europa!

1969 legten die französischen Eisenbahnen dem Verkehrsministerium einen Plan für eine völlig neue Schnellbahn vor. Zu schnellen Zügen gehört auch eine eigene Trasse. Aber die Strecke Paris-Südost, wie sie hieß — es sollte die erste TGV-Strecke werden — sollte keine Bahn nach dem Muster des japanischen Shinkansen sein (getrennt vom übrigen Netz), sie sollte kompatibel mit den bestehenden Netzen sein.

Nach anfänglichen Versuchen mit durch Gasturbinen angetriebenen Triebwagenzügen — man umging damit u.a. die Probleme mit den Stromabnehmern — wurde am 11.7.1979 — auch befördert durch die damalige Ölkrise — der erste Elektro-TGV ausgeliefert. Die beiden Triebköpfe haben zusammen eine Leistung von 6.350 kW, 8 Wagen befinden sich zwischen den zwei Triebköpfen, der gesamte Zug ist 200,19 m lang und außer den vier Drehgestellen der Triebköpfe sind zusätzlich noch die äußeren Drehgestelle des ersten und letzten Wagens des Zuges angetrieben. Gebremst wird mit elektrischer Widerstandsbremse und Scheibenbremsen an den nicht angetriebenen Achsen. Der Bremsweg aus 260 km/h bis zum Stillstand beträgt 3,7 km!

Am 22.9.1981 war es soweit: Präsident Mitterand persönlich weihte die Strecke Paris-Südost ein. Der TGV startete mit einem großen Angebot von Paris nach Lyon und darüber hinaus nach St. Etienne, Besancon und Genf. Japan verlor erstmals das Blaue Band der schnellsten Züge. Die orangefarbenen TGVs fuhren 260 km/h Spitze.

Auf der 1990 fertiggestellten Atlantikstrecke Paris — Bordeaux wurden die neuen TGV A-Züge mit zehn statt mit acht Mittelwagen gefahren, weil es dort weniger Steigungen gibt und vor allen Dingen weil sie statt der bisherigen Gleichstrommotoren Drehstromantriebsmotoren mit wesentlich höherer Leistung erhielten.

Am 29.7.1987 wurde der französisch-britischen Gruppe “Eurotunnel” eine Konzession für 55 Jahre übertragen, einen Tunnel zwischen Frankreich und England zu bauen und zu betreiben. Am 9.10.1987 genehmigte die französische Regierung den Bau des TGV-Nord und im September 1993 wurde die ganze Strecke für den Verkehr freigegeben. Die TGVs fahren hier 300 km/h, und die Fahrzeit von Paris nach Lille konnte damit um eine Stunde verkürzt werden!

Inzwischen wurden neue Fahrzeuggenerationen entwickelt: Der TGV Réseau, der dem TGV-Atlantik ähnlich ist, allerdings um zwei Mittelwagen kürzer und der über ein Führerstandssignalisierungssystem verfügt, das eine Zugfolge von nur 3 Minuten Abstand bei 300 km/h, erlaubt. Das System wird auch im Kanaltunnel benutzt. Und der TGV-Duplex, ein doppelstöckiger TGV mit drei Wagen 1. Klasse, vier Wagen 2. Klasse und einem Barwagen.

Mit der Fertigstellung des TGV-Nord gibt es ja nun eine Nord — Südverbindung längs durch Frankreich von Calais nach Marseille. Das veranlasste die Französische Eisenbahn zu zeigen, wie ausdauernd und zuverlässig die TGVs sind. Ihr Ziel war es, die Züge die 1.067 km zwischen den zwei Städten in unter vier Stunden zurücklegen zu lassen. Um 16.30 Uhr fuhr der Zug in Calais ab und nach 3 Stunden und 30 Minuten kam er in Marseille an. Es gab allerdings ein paar kleine “Hilfestellungen”: Die Motorleistungen wurden erhöht (pro Motor statt 1.100 kW auf 1.400 kW) und auf den meisten Streckenabschnitten die Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h!

In 185 Minuten von Karlsruhe nach Paris

Die Fahrzeuge des TGV POS (Paris-Ostfrankreich-Süddeutschland) sind eine teilweise Neuentwicklung: Die Kopfform entspricht dem Doppelstock-TGV und die Triebköpfe besitzen eine Dreisystemausrüstung; für eine Fahrspannung von 25 kV — da haben sie eine Leistung von 9.280 kW und fahren max. 320 km/h — für eine Spannung von 15 kV — 6.800 kW, Vmax. 300 km/h — und für 1.500 Volt Gleichstrom — 3.680 kW mit Vmax. 270 km/h. Es sind die ersten TGV-Triebköpfe mit Drehstrom-Asynchronmotoren. Der Zug besteht aus zwei Triebköpfen und acht Wagen und hat eine Länge von ca. 200 m.

Die Neubaustrecke, die im Juni offiziell in Betrieb genommen wurde, ist 300 km lang, die Bauzeit dauerte 5 Jahre und der Bau hat 4 Milliarden Euro gekostet. Sie hat drei Neubaubahnhöfe: Champagne-Ardenne TGV (bei Reims), Meuse TGV und Lorraine TGV. Dieser Bahnhof ist etwas problematisch, weil er fast genau zwischen Metz und Nancy liegt, also keine Stadt direkt angebunden ist! Der letzte Abschnitt der Hochgeschwindigkeitsstrecke soll ab 2009 weitergebaut werden und man rechnet, die fehlenden 100 km zwischen Lothringen und Straßburg Ende 2014 in Betrieb nehmen zu können. Die französischen Eisenbahnen rechnen mit einem Fahrgastaufkommen von 11 Millionen Fahrgästen. Die Fahrzeit von Straßburg nach Paris beträgt 140 Minuten. Nach Fertigstellung des letzten Abschnitts, für den ein Tunnel durch die Vogesen gebaut werden muss, dauert die Fahrt nur noch knapp zwei Stunden.

Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der neuen TGV-Strecke Ost von Paris über Straßburg, Karlsruhe nach Stuttgart am 10.6., die später verlängert werden soll weiter über München, Wien bis Budapest (Magistrale Ost), wurde zum selben Zeitpunkt eine weitere Hochgeschwindigkeitsverbindung eröffnet von Frankfurt über Mannheim, Saarbrücken, Forbach nach Paris. Diese Strecke wird mit deutschen ICE-Fahrzeugen bedient!

Karlsruhe wird zunächst dreimal, ab Dezember viermal täglich bedient: um 7.30 Uhr, 13.30 Uhr und 17.30 Uhr fährt der TGV nach Paris. Zurück nach Karlsruhe geht es ab Paris um 7.24 Uhr, 11.24 Uhr und um 17.24 Uhr. — In diesem Zusammenhang muss leider erwähnt werden, dass die vier EC-Zugpaare, die tagsüber eine direkte Verbindung von Karlsruhe über Baden-Baden nach Straßburg hergestellt haben, wegfallen! Das ist sehr schade. Um die Anbindung des nördlichen Teils unserer Region an Straßburg ist es m.E. ohnehin nicht sehr gut bestellt, liegen doch die Übergangszeiten der IREs und REs zur Ortenau-S-Bahn in Appenweier meistens bei 20 Minuten.

Vom 10. Juni bis zum 31. August wird ein Sonderfahrpreis angeboten: 29,— € die einfache Fahrt von Karlsruhe nach Paris im Internet und am Automaten, am Schalter 34,— €. Die französischen Eisenbahnen locken sogar mit 15,— € für eine einfache Fahrt die Kunden in die Züge, befristet bis zum 10. Juli! Die späteren Fahrpreise stehen noch nicht fest. Pünktlich zur Erweiterung des TGV-Netzes gen Osten gab es wieder eine TGV-Rekordfahrt: Am 3.4. wurde auf dem Neubauteil der Strecke von Paris nach Straßburg mit einem speziell präparierten TGV (die Durchmesser der Räder wurden vergrößert, es wurden extra Stromlinienverkleidungen unten und oben angebracht), und zusätzlich mit erhöhter Stromspannung (von 25.000 Volt auf 31.000 Volt) die Geschwindigkeit von 574,8 km/h gefahren. Dadurch wurde der Rekord des TGV-Atlantik im Mai 1990, der “nur” 515,3 km/h betrug, um ca. 60 km/h überboten.

Bei so viel Erfolg und Fortschritt muss es doch auch mal einen Dämpfer geben. Und der kam: Die Französische Staatsbahn hatte zur Generalprobe des TGV-Est Européen zwischen Straßburg und Paris eingeladen. 215 Journalisten, Angehörige der SNCF und elsässische Regionalpolitiker steigen in Straßburg-Hbf. zur Premierenfahrt in den Schnellzug TGV-Est nach Paris ein. Pünktlich um 10.21 Uhr fährt der TGV ab, er soll um 12.29 Uhr in Paris Gare de l'EST ankommen. Kurz hinter Saverne gibt es ein opulentes Frühstück. Noch ist der Zug nicht auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke und nimmt etliche Kurven. Dann, kurz nach Ankündigung des Zugführers, dass der Zug bei Beaudrecourt auf die Hochgeschwindigkeitsstrecke einbiegt, verliert er an Fahrt, bremst und hält schließlich. “Wir haben ein technisches Problem”, tönt es aus dem Lautsprecher. Langsam rollt der Zug in den Bahnhof “Lorraine TGV” ein, an dem noch gebaut wird. Mitten in der lothringischen Provinz müssen die Fahrgäste fast eine Stunde auf dem Bahnsteig warten, bis sie in einen Ersatz-TGV umsteigen können. Das Personal tröstet die Reisenden mit Champagner, der eigentlich bei Erreichen der Reisegeschwindigkeit von 320 km/h ausgeschenkt werden sollte. “Das ist ein extrem seltener Vorfall” sagte die Straßburger SNCF-Regionaldirektorin. Gegen 13 Uhr fährt der Ersatz-TGV ein. Zweieinviertel Stunden später wurde dann Paris erreicht. Statt zwei Stunden zwanzig Minuten waren es nun 4 Stunden und 23 Minuten Fahrzeit! — So etwas passiert eben auch einmal.

Literatur: Zahlreiche aktuelle Zeitungsausschnitte und Meyer-Eppler, “Die schnellsten Züge der Welt”

Johannes Hertel

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/07

Stand des Artikels: 2007! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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