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Warum FÜR den Ausstieg aus Stuttgart 21?

... weil Stuttgart 21 (S21) nichts taugt!

Nähme man viel Geld in die Hand, um etwas leistungsfähigeres zu haben als jetzt oder etwas, das bei anderen Vorteilen dem umweltgerechten Verkehr wenigstens nicht schadet, dann gäbe es nicht so eine breite Gegenbewegung gerade auch aus vielen schienenaffinen Kreisen. Das sollte zu Denken geben!

Stresstest bestanden, JA  ABER ...

In Schlichtung und Stresstest kamen zahlreiche Mängel von S21 zum Vorschein wie bspw. Doppelbelegungen, s. a. S. 9. Diese mögen geeignet sein, um leistungsschwache Bahnhöfe wie Köln besser nutzen zu können, aber so plant man doch keinen neuen Bahnhof! Und beim Durcheinander aus unterschiedlichen Haltezeiten und Anschlüssen, nur aus der Not von Infrastrukturengpässen geboren, ist ein System nicht zu entdecken, geschweige denn ein moderner integraler Taktfahrplan. Für das viele Geld und als Ersatz für einen Premium-Bahnhof sollte man doch einen neuen Bahnhof bester Güte (verspätungsabbauend) erwarten können? Geboten wird nur zweite Wahl (wirtschaftl. optimal): Verspätungen bleiben ungefähr gleich, das aber auch nur wegen der Zulaufstrecken, nicht wegen des zu kleinen Bahnhofs.

30 % mehr als heute sei möglich bei S21, habe der Stresstest mit Mühe erbracht. 1969-1975, vor der S-Bahn, konnte der Kopfbahnhof aber schon 40 % mehr als heute leisten! Und noch im Mai 2007 warben S21-Infoschriften mit „Der neue Bahnhof: doppelt so leistungsstark mit Option zum Ausbau“. [Quelle] Von 100 %, das wäre ein Fortschritt, blieben max. 30 %, von zwei weiteren Gleisen im Tiefbahnhof als Option redet auch niemand mehr — ein Bankneubau steht im Weg.

Schon die Schlichtung offenbarte, dass der Bahnhof im Gefälle liegt — einmalig in der Größe — daher dürfen dort keine Züge enden oder umgestellt werden. Es gibt auch Zweifel an Brandschutz, Barrierefreiheit, Geologie, Schutz der Mineralwasserquellen, ...

Jetzt sind's bald 4,5 Mrd. € für den Engpass. Angeblich 66 % von Bund und Bahn „geschenkt“, in Wahrheit aber eher 6 %, siehe: Die Finanzierungslüge.

Und der Flughafenbf. auf den Fildern?

Eine Katastrophe, die bei S21 auch von den Gegnern viel zu wenig genannt wird, ist die Planung der Flughafenbahnhöfe. Wegen unterschiedlicher Bahnsteighöhen von S-Bahn und sonstigen Zügen darf wegen der Barrierefreiheit auf der künftig gemischt genutzten Strecke (S-Bahn-Verkehr wird reduziert) jede dieser Zugarten nur an je einem Bahnsteig des bestehenden Bahnhofs halten (!), nur für Störungen gäbe es Ausnahmen. Das wurde für den Stresstest in einem Drittel der simulierten Fälle ignoriert! Aber auch der neu geplante Fernbahnhof steht in der Kritik wegen seiner großen Tiefenlage und langen Wege und den damit verbundenen Problemen u. a. Barrierefreiheit, Komfort, Brandschutz, Evakuierung. Genehmigungen liegen für beide Bahnhofsteile noch nicht vor. Es ist durchaus möglich, dass alles komplett umgeplant werden muss! Das soll das bestgeplante Projekt sein?!? PM der DB Netz AG vom 18.7.2008 (beim Kostenstand 3,078 Mrd €):
„Das Bahnprojekt Stuttgart—Ulm ist eines der am besten und umfassendsten geplanten Projekte der Deutschen Bahn AG. Daher ist davon auszugehen, dass der derzeit vorgesehene Kostenrahmen eingehalten wird.“ [Quelle]

Nachteile für die Regionen

Dass S21 viel Geld bindet und damit der Ausbau in der Fläche leiden wird, liegt auf der Hand. Auch der Ausbau der viel wichtigeren Rheintalbahn wird darunter leiden. Soweit altbekannt. Weniger bekannt ist, dass auch der Nahverkehr u. a. aus dem Raum nach Stuttgart leiden wird. Dies ergibt eine Landtagsanfrage der Grünen (15/367, 28.7.). Jeder, der diese Strecke fährt, weiß, dass die Züge im Berufsverkehr jetzt schon voll sind. Der Stresstest sollte doch 30 % mehr nachweisen, gerade auch im Berufsverkehr? Leider sollen aber mit S21 aus Karlsruhe, Bruchsal und Pforzheim zwischen 7 und 9 Uhr weniger Züge in Stuttgart ankommen ... Insbesondere Fernzüge werden seltener. Dank Schienen zu den Flughäfen fliegen wir künftig zur Arbeit? Und fast alle Regionen im Land werden in irgendeiner Form leiden.

Alternativen zu S21?

K21 natürlich, ein erweiterter Kopfbahnhof, propagiert nicht zuletzt vom VCD. Auch K20, der alte, nur renovierte Kopfbahnhof, könnte noch viele Jahre mithalten, er tut es ja heute als einer der pünklichsten Bahnhöfe in D.

Daneben gibt es weitere Alternativen. Eine kommt vom Schlichter Heiner Geißler und dem renommierten Schweizer Büro SMA, das den Stresstest geprüft hat! Im Prinzip ist es S21 mit nur 4 Gleisen und nur 2 von 4 Anschlusstunneln zusätzlich zum leicht verkleinerten Kopfbf., eine „Kombilösung“ also. So ähnlich begann S21 ca. 1994! Die Idee ähnelt dem Zürcher Bahnhof. Die aktuellen Planungen müssten nur minimal verändert werden, Aufwand und Kosten wären geringer. Allerdings „erbt“ SK2.2 vermutlich auch bauliche Haken (Gefälle, Eingriffe in Park, Mineralwassergefährdung, ...). Es gibt aber m. E. einen großen Vorteil: Durch diesen Vorschlag setzt SMA hinter das Ergebnis des Stresstestes ein großes „Ja, aber“ a la: Stresstest nominell bestanden, aber WIR würden in der Schweiz sowas NIE bauen!

Eine weitere „Kombilösung“ kommt von Vieregg+Rößler V+R (Gutachter gegen Transrapid) und Prof. Ostertag: KL21, ein zusätzlicher Tiefbahnhof, aber in gleicher Richtung wie der Kopfbahnhof, der unter der City durch (evtl. neuer Halt) zum Flughafen hoch führt. V+R alleine hat eine Erweiterung von K21auf 29 Bahnsteigkanten („K29“?) vorgeschlagen: 50% Züge mehr als S21 möglich!

Auch wenn S21 unbeirrt gebaut würde: Es könnte eine Art „Kombilösung“ dabei rauskommen, weil ein Privatbahnverbund juristischen Widerstand gegen die Stilllegung des Kopfbahnhofs angekündigt hat.

Alle nun auftauchenden Alternativen zu S21 haben auch bei Nachteilen einen Vorteil: Sie lenken den Fokus wieder auf den Nutzen für den Schienenverkehr und entlarven die Nachteile von S21! ... aber auch einen Haken: Über sie wird nicht abgestimmt!

Der Volksentscheid

... geht nämlich über das „Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S 21-Kündigungsgesetz)“ und behandelt lediglich die Mitfinanzierung von S21 durch Baden-Württemberg. Anders geht es leider nicht: Wer gegen S21 ist, muss „JA zum Ausstieg“ sagen. Im Prinzip könnte die Bahn AG zwar auf eigene Kosten weiterbauen, das Recht dazu hätte sie, aber es wäre eher unwahrscheinlich.

Welche Chancen hat ein Volksentscheid? Bei „Rems-Murr gegen S21“ hat es jemand überschlagen: Das für die Gültigkeit nötige Quorum (ein Drittel der Stimmberechtigten) ist demnach zwar sehr hoch, aber bei hoher Mobilisierung zu schaffen. Wenn es nicht klappt, aber eine klare Mehrheit für den Ausstieg aus S21 stimmt, kommt es auf die Reaktion der Politik an. Den Widerstand würde ein solches Ergebnis sicherlich stärken und ob man dagegen dauerhaft ankäme ...?

Ausstiegskosten

Noch nie war Nichtstun so teuer! ... ginge es nach der DB AG und deren Drohkulisse für den Ausstieg. Ob alles fundiert ist, das wohl wird noch viele Juristen ernähren ... In der Tat wären sehr viele Planungskosten verloren, nur ein winziger Teil könnte für K21 umgeplant werden. Am Gleisvorfeld wurde gebaut, aber längere Bahnsteige sind kein Schaden. Ansonsten wurde noch kein einziger teurer Tunnel o. ä. gebaut! Mitgerechnet wird zum einen immer die Sanierung des verlotterten, auf Verschleiß gefahrenen Kopfbahnhofs (das hat viele Jahre Kosten gespart) und zum anderen die Rückabwicklung der Grundstückskäufe 2001: Für die DB ein Verlust, für die Stadt Stuttgart aber ein Gewinn in der Kasse (450 Mio.€+Zins=700 M.?)

Städtebau und Arbeitsplätze

Damit wären wir beim vermuteten Hauptanlass für S21: die freiwerdenden Flächen. Kein hinreichender Grund, einen schlechten Bahnhof zu bauen! Aber ist es überhaupt ein Vorteil, ausgerechnet den schon vollgepfropften Stuttgarter Talkessel noch weiter zuzubauen? Unter jedem Gebäude eine Tiefgarage bedeutet mehr Autoverkehr mit allen Folgen! Und alle Arbeitsplätze, die aus der Region nach Stuttgart ziehen, bedeuteten eine Schwächung der Regionen mit entsprechendem Finanzbedarf zu deren Wiederbelebung etc.

Heiko Jacobs

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Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/11

Stand des Artikels: 2011! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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