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Städtischer Helmwerbemüll; Foto: Heiko Jacobs |
Sie ist erst einmal vom Tisch, die Helmpflicht für Radfahrer durch die Hintertür. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom Juni 2014 ein Mitverschulden einer Radfahrerin abgelehnt, die gegen die sich öffnende Tür eines am Straßenrand parkenden Autos gefahren und dabei schwere Kopfverletzungen erlitten hatte. Die hinter der Autofahrerin stehende Versicherung wollte ihre Zahlungspflicht um die Hälfte reduziert wissen, weil die Radfahrerin keinen Helm trug und damit zu ihren eigenen Verletzungen beigetragen haben soll. Hätte der Bundesgerichtshof anders entschieden, wäre nicht nur diese eine Radfahrerin die Leidtragende gewesen. Sie wäre auf einem wesentlichen Teil ihres Schadens sitzen geblieben. Auch für alle anderen Pedaleure hätte sich der rechtliche und öffentliche Druck erhöht, künftig gefälligst nur noch mit Helm unterwegs zu sein. Behörden und ADAC machen sich zwar in anderen Bereichen keine Mühe mit einem von der Rechtsprechung anerkannten Mitverschulden zu argumentieren. Oder hat man jemals gelesen, dass sie aus diesem Grund massiv ein Fahren mit einer Geschwindigkeit auf der Autobahn mit mehr als 130 Stundenkilometern (Richtgeschwindigkeit) ablehnen? Oder dass sie den eigenen Mitarbeitern gar ein schnelleres Fahren untersagen, wie die Stadt Köln es jetzt für Radfahren ohne Helm im Dienst erwägt? Bei den zunehmenden Appellen an die Radfahrer sieht das allerdings ganz anders aus.
Auch in Karlsruhe bewarb die Stadt zuletzt massiv das Fahren mit Helm. Eine monatelange Kampagne, die sehr zwiespältig daherkommt, selbst für jemanden, der wie der Autor meist mit Helm unterwegs ist. Dubiose Papierhänger am Fahrrad, die auch sonst schon als überflüssige und möglichst zu verbietende Werbung nerven, die jetzt ausgerechnet von der Stadt verteilt werden und die Innenstadt vermüllen, sind das eine. Noch entscheidender ist die Frage, ob man das Geld für diese Kampagne nicht hätte deutlich besser investieren können. Die Sicherheit für Radfahrer wird — das zeigen Erfahrungen aus Ländern, die schon wesentlich weiter sind — am meisten dadurch verbessert, dass die Zahl der Radfahrer steigt und die Infrastruktur entsprechend angepasst und genutzt wird. Und da gäbe es in Karlsruhe noch reichlich zu tun: Jede Menge Einbahnstraßen etwa, die ohne großen Aufwand für Radfahrer in Gegenrichtung zu öffnen wären. An vielen Stellen der Verzicht auf kombinierte Fuß- und Radwege. Oder wie wäre es mit einer Kampagne, die den Autofahrern — übrigens auch den uniformierten der Polizei — mal deutlich macht, dass Parken auf Radwegen, Fahrradstreifen und Fahrradschutzstreifen ordnungswidrig, gefährlich und rücksichtslos ist? Und zwar auch nur zum Brötchenholen!
Außerdem bleibt die Frage, wie viel mehr an Sicherheit der Helm überhaupt bringt. Eine Helmpflicht würde — auch das zeigen Erfahrungen aus dem Ausland — jedenfalls zu einem starken Einbruch der Nutzerzahlen fürs Rad führen und damit die Gefahren für die Radfahrer erhöhen. Mindestens so interessant ist eine Studie, die ein australischer Wissenschaftler durchführte. Gemessen wurde dabei der Sicherheitsabstand, den überholende Autofahrer zum Radfahrer ließen. Das spannende Ergebnis: Autos fuhren mit durchschnittlich 8,5 cm weniger Sicherheitsabstand an den Radfahrern vorbei, wenn sie einen Helm aufhatten. Berücksichtigt man, dass nicht wenige Autofahrer ohnehin zu wenig Abstand halten, ein durchaus relevanter Wert. Setzte der Proband sich hingegen eine Frauenperücke auf, wurde der Sicherheitsabstand plötzlich deutlich größer, beachtliche 14 cm im Schnitt. Vielleicht sollte man der Stadt also mal eine Kampagne empfehlen, um den Anteil der Perückenträger zu erhöhen. Oder wie wäre es mit der Perückenpflicht für Radfahrer?
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/14
Stand des Artikels: 2014! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.