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Stinkender Storchschnabel kämpft sich aus einem städtischen Kellerschacht |
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Apps wie Flora Incognita helfen beim Bestimmen |
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Zwar größer als Hungerblümchen, aber auch recht unscheinbar: Acker-Schmalwand; Fotos: M. Däschner, siehe auch Titelbild dieser Ausgabe |
Die meisten Menschen dürften mit großen Städten eine naturferne Umgebung in Verbindung bringen, die von Versiegelung, Autoverkehr, Lärm und Abfall geprägt ist und für Pflanzen und Tiere kaum geeignete Lebensräume bietet. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass an vielen Stellen mitten in der Stadt Grünes am Straßenrand und aus Betonritzen sprießt, sogar in einer überraschenden Artenvielfalt — oft so unscheinbar, dass man schon sehr genau hinsehen muss. Schon lange haben sich verschiedenste Wildblumen und Kulturpflanzen Pflasterfugen und andere städtische Nischen erobert und wachsen Jahr für Jahr — sofern ihnen nicht durch gesteigerten Ordnungs- und Sauberkeitswahn der Menschen der Garaus gemacht wird. Moose und die sehr kleinen und unauffälligen Wildpflanzen wie etwa das Hungerblümchen werden leicht übersehen, aber selbst höher wachsende Gräser und Kräuter oder selbst Bäumchen bleiben im hektischen Alltag vieler Menschen in der Stadt gänzlich unbeachtet. Sie scheinen sich unterhalb einer Wahrnehmungsschwelle zu befinden, man geht ständig an ihnen vorbei, aber sieht sie gar nicht. Um diesem auch schon als „Pflanzenblindheit“ bezeichneten Phänomen entgegen zu wirken, gibt es die Krautschau. Ursprünglich von einem französischen Botaniker initiiert, breitet sich die Idee seit einigen Jahren in Europa aus und wird seit 2021 auch in Deutschland bundesweit von der Frankfurter Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung koordiniert und in die Tat umgesetzt. Bei der Mitmachaktion machen sich an zahlreichen Orten Pflanzenfans auf die Suche nach den pflanzlichen Überlebenskünstlerinnen in der Stadt, bestimmen sie und markieren sie an ihrem Wuchsort mit bunter Kreide. Die Freiwilligen lenken damit die Aufmerksamkeit auf die bemerkenswerte Stadtflora und teilen ihre Entdeckungen auch über Fotos in den sozialen Medien. Inzwischen gibt es einige gut funktionierende Bestimmungsapps für Smartphones wie beispielsweise Flora Incognita, mit deren Hilfe auch Nichtbotaniker*innen problemlos bei der Aktion mithelfen können. Und man lernt ganz nebenbei eine Menge interessante Pflanzenarten kennen, kann etwas über Biodiversität in der Stadt und die faszinierenden Leistungen der kleinen grünen „Ritzenrebellen“ erfahren. Das Citizen Science Projekt schafft so spielerisch ein Bewusstsein für die Naturvielfalt vor unserer Haustür, dient sowohl der eigenen Weiterbildung als auch der Forschung.
Dazu passt auch der Tag der Artenvielfalt, den der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) am 24. und 25. Mai ausruft. Hier sollen die Themen Artenvielfalt und Artenkenntnis stärker in den öffentlichen Fokus gerückt werden. Wir finden, dass die beiden Initiativen sich wunderbar kombinieren lassen, und daher lädt die BUZO zusammen mit dem NABU am Sonntag, 25. Mai zur Krautschau in Karlsruhe ein. Um 10 Uhr treffen wir uns vor dem Umweltzentrum und spazieren in der näheren Umgebung durch die Straßen um gemeinsam Pflanzen zu bestimmen und mit Kreide auf die sonst oft übersehenen „Blümchen“ aufmerksam zu machen. Interessierte — egal ob mit oder ohne botanischen Kenntnissen und Bestimmungsapps — sind bei der ca. 2-stündigen Aktion herzlich willkommen.
Mehr zum Thema:
senckenberg.de/de/krautschau
tag-der-artenvielfalt-bw.de