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Altglascontainer; Foto: Wolfgang Melchert |
Glas ist ein Rohstoff, der sich leicht wiedergewinnen lässt, indem Altglas wieder eingeschmolzen wird. In Deutschland und den Nachbarländern gibt es deshalb eingeführte Recycling-Systeme mit Altglas-Sammelbehältern in den Wohngebieten. Manchen Verbrauchern, die dort ihre Flaschen einwerfen, stellen sich dabei aber verschiedene Fragen:
Ist es wirklich wichtig, die Flaschen in das Fach mit der passenden Farbe einzuwerfen oder wird hinterher doch alles wieder zusammengeschüttet? Wo werfe ich blaue Flaschen ein, dafür gibt es doch gar kein Fach? Was ist mit Metall-Deckeln, dürfen die an der Flasche bleiben? Was geschieht mit dem sonstigen Müll, den manche Zeitgenossen in den Glascontainer schmeißen? Soll ich die Flaschen so vorsichtig einwerfen, dass sie nicht zerbrechen?
Diese Fragen möchte der Artikel beantworten und vorstellen, welche anspruchsvollen Techniken beim Recycling von Altglas zum Einsatz kommen. Der Autor ist am Karlsruher Forschungsinstitut Fraunhofer IOSB tätig und entwickelt dort optische Sortiersysteme für den Marktführer im Bereich von Altglas-Aufbereitungsanlagen.
Wenn der Inhalt eines Glascontainers per Lkw abgeholt wird, mag es vielleicht so aussehen, als ob alles zusammengeschüttet wird, tatsächlich bleiben die drei Sorten Weiß, Grün und Braun aber getrennt. Man sollte also die Flaschen möglichst in das richtige Fach einwerfen. Blaue Flaschen könnte man eigentlich überall einwerfen, da in jedem Fall eine Nachsortierung erfolgt, empfohlen wird das Fach für grünes Glas.
Im Recyclingwerk angekommen, wird das Glas als erstes in einem "Walzenglasbrecher" auf eine Korngröße von 10 - 50 mm zerkleinert. Es nützt also gar nichts, wenn man Flaschen vorsichtig in den Container wirft, damit sie nicht zerbrechen. Als nächstes werden mit Magneten Verschlüsse und andere Teile aus Eisen aus dem Materialstrom gezogen. Zum Ablösen von Etiketten aus Papier und Folie wird das Material dann in einem „trockene Schwertwäsche“ genannten Verfahren durch große Paddel so gerührt, so dass sich die Etiketten ablösen. Die abgelösten Etiketten und andere leichte Materialien werden dann durch ein Luftstrom-Verfahren („Windsichtung“) vom schwereren Glas getrennt.
Schließlich gelangt das Material in die entscheidende optische Sortierstufe. Hier erfolgt die Trennung nach Farben und das Ausschleusen der verbliebenen Fremdkörper. Das Material fliegt kontinuierlich an einer Zeilen-Kamera vorbei, das aufgenommene endlose Bild wird per Computer analysiert, und mit dem Ergebnis werden kurz hinter der Kamera angeordnete Pressluftdüsen so angesteuert, dass der Materialstrom in der gewünschten Weise zerlegt wird. Ein solches optisches Sortiersystem erfordert leistungsstarke Computer und Algorithmen, denn es muss einen typischen Durchsatz von 10 t/h auf 1 m Sortierbreite bewältigen, und die Pressluftdüsen müssen jeweils ca. 30 Millisekunden nach der Bildaufnahme angesteuert werden, um die auszuschießenden Objekte noch im Fluge zu treffen.
Optische Sortieranlagen im Recyclingwerk; Foto: Firma Binder & Co |
Bei der optischen Sortierung werden nicht nur die drei Farben unterschieden, nach denen das Altglas im Container gesammelt wird, sondern es können deutlich mehr verschiedene Glasfarben getrennt werden, also auch verschiedene Abstufungen von grün und braun sowie blau. Angesichts dieser automatischen Sortierung nach Farben mag sich der Verbraucher fragen, warum er das Altglas im Container überhaupt vorsortieren soll. Der Grund dafür ist, dass diese Vorsortierung die Anzahl der erforderlichen optischen Sortierstufen reduziert. Jede Sortierstufe kann nämlich immer nur maximal ca. 20 % des Materials durch Pressluft ausschießen, da sonst der Luftstrom unkontrollierbar wird. Deshalb sollten die Fehleinwürfe bei den drei Farben im Container möglichst unter 20 % bleiben.
In der optischen Sortierstufe werden auch verschiedene Fremdkörper entfernt, die noch im Materialstrom vorhanden sein können. Hierzu gehören Fremdkörper des Typs „KSP“ (Keramik, Stein, Porzellan), die nicht schmelzen und deshalb bei der weiteren Verarbeitung großen Schaden anrichten können. Auch nicht magnetische „NE-Metalle“ (z. B. Aluminium) werden durch zusätzliche Sensoren erkannt und aussortiert.
Besonders anspruchsvoll ist das Erkennen und Aussortieren von Spezialgläsern wie hitzebeständigem Glas, das beispielsweise in Teekannen und Glaskochtöpfen vorkommt, und Bleiglas. Diese Gläser können in allen Farben vorkommen und unterscheiden sich optisch nicht von normalem Glas, weshalb der Verbraucher diese gerne irrtümlich auch in den Glascontainer einwirft. Hitzebeständiges Glas muss jedoch aussortiert werden, weil sein höherer Schmelzpunkt in der weiteren Verarbeitung großen Schaden anrichten kann. Bleiglas muss wegen gesetzlicher Vorgaben über den Schadstoff Blei abgetrennt werden. In der optischen Sortierstufe wird hitzebeständiges Glas dadurch erkannt, dass zusätzlich der Ultraviolett-Bereich ausgewertet wird, denn dort unterscheidet es sich von normalem Glas. Zur Erkennung von Bleiglas nutzt man Fluoreszenzeffekte, also die Bestrahlung des Glases mit UV-Licht, woraufhin es im sichtbaren Bereich in einer bestimmten Farbe leuchtet, wenn Blei enthalten ist.
Besondere Anforderungen an ein optisches Sortiersystem für Altglas ergeben sich daraus, dass in Recyclingwerken keine saubere Laborumgebung existiert, sondern ziemlich raue Bedingungen herrschen: Es gibt Vibrationen, stark wechselnde Temperaturen, und das Glasmaterial ist erheblich verschmutzt, vor allem wenn es längere Zeit im Freien auf Halde gelegen hat. Außerdem ist vor Ort normalerweise kein Fachpersonal verfügbar, das das System manuell reinigen und nachjustieren könnte. Deshalb muss das Sortiersystem im Betrieb so robust sein, dass es sich selbst reinigt und sich selbst an geänderte Umgebungsbedingungen anpasst.
Das fertig sortierte farbreine Glas wird dann in einer Glashütte eingeschmolzen und zu neuen Produkten verarbeitet, also beispielsweise wieder zu Flaschen. Diese können nach Gebrauch wieder in den Container geworfen werden und eine neue Runde des Recycling-Kreislaufs beginnt. Ca. 95% des Glases können beim Recycling wiedergewonnen werden, nur ca. 5% gehen als Glasstaub oder auf andere Weise verloren. Übrigens wurde Glas vermutlich bereits im antiken Rom recycelt, denn vor der südtürkischen Küste entdeckten Forscher ein rund 1000 Jahre altes Schiff mit Altglas als Ladung.
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/11
Stand des Artikels: 2011! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.