Das von der Stadt auszugleichende Defizit der VBK betrug 2024 96 Mio. €, für 2025 sind 115 Mio, für 2030 145 Mio. im aktuellen Haushaltsplan eingestellt. Zum von uns vermuteten Warum siehe unten.
Gerüchte sprachen daher schon länger von Planungen eines dreistufigen gravierenden Sparkonzepts. Das nun vorgelegte, nur einstufige, sei dagegen „moderater“ ausgefallen. Nein, sagen wir dazu. Im Einzelnen würde folgendes gespart:
Linien 1—5, vmtl. auch S2 innerstädtisch: Mo—Fr. 10-min-Takt erst ab 6 Uhr statt 5:30 und nur bis 19 statt 20 Uhr, Sa. ganztags nur 20-min-Takt, So. 30-min-Takt bis 12 statt 9 Uhr, an allen Tagen ab 21 Uhr 30- statt 20-Minuten-Takt. Der bisher sowieso selten wirklich gefahrene Verstärker der 3 zwischen Tivoli und Europaplatz wird offiziell gestrichen. Das soll zusammen 4,3 Mio. € sparen.
Bei den Buslinien entfallen die Linien 47A, 72 und 74/75 und die Kurzkurse der 32 fast komplett, die Linien 22 und 71 an Samstagen, die 32 wird zum ALT. Bei den Linien 21/26, 23, 24, 30, 50, 62, 70 und 73 soll es diverse Taktkürzungen geben, macht in Summe 1,65 Mio. € Einsparungen beim Bus, insgesamt 5,95 Mio €.
Allerdings rechnet man auch mit Einnahmeausfällen von rund 1 Mio. durch zu Auto und Rad wechselnde Fahrgäste, so dass am Ende nur ein Sparpotential von 5 Mio. € übrig bleibt. Das wären bei 150 Mio. Defizit nur gut 3 %. Dafür kürzt man aber 10 % der Leistungen! Für einige, wie mich, der hauptsächlich in den Nebenzeiten fährt, sind es eher 50 %.
Nahverkehrsplan, öffentlicher Dienstleistungsauftrag und Nutzen-Kosten-Berechnung der Kombilösung sehen den aktuellen Leistungsumfang vor, daher sei laut Vorlage zwingend eine „temporäre“ Leistungseinschränkung zu beschließen, die „“ original aus der Vorlage, also ein offen zugegebenes Gemauschel? Das ist alles für uns, die sich für die Verkehrswende engagieren, nur schwer erträglich, weswegen wir uns an Presse und Entscheider gewandt haben. Der nachfolgende Text ist unsere Stellungnahme an Fraktionen, Stadt, OB und VBK:
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Umweltverbundes. Gerade das Karlsruher Modell war jahrelang international geachtetes Vorbild beim ÖV. Leider machen wir uns aktuell große Sorgen um dessen Entwicklung. Dem Karlsruher Nahverkehr droht ein langfristiger Schaden. Daher richten wir an Sie den Appell, die Kürzungsplä-ne zu verschieben, alternative Finanzierungen zu prüfen und die Ursachen der Misere zu untersuchen und zu beseitigen, damit mehr Qualität des ÖVs die eigenen Einnahmen wieder steigert.
Karlsruhe will bis 2040 klimaneutral werden, ein guter ÖV ist dafür unverzichtbar. Das Land Baden-Württemberg arbeitet daran, den Anteil des ÖV an der Mobilität im Land bis 2030 gegenüber 2010 zu verdoppeln. Karlsruhe hat einen modernen und dichten ÖV und sollte daher, auch dank Kombilösung, die unterirdisch gegenüber der Fußgängerzone störungsfrei und schnell fährt, für dieses Ziel bestens aufgestellt sein.
In Karlsruhe ist aber das genaue Gegenteil davon geschehen! Im Forum Aktive Mobilität am 19.11.25 berichtete man zwar stolz, dass Karlsruhe beim Modal Split bezüglich Autoverkehr (MIV) besser sei als das große Vorbild Kopenhagen [s. S. 13]. Im Kleingedruckten liest man jedoch, dass sich dafür nicht der MIV-Anteil verringert, wie man angesichts der Ziele hoffen würde, sondern sich der Anteil des ÖV insbesondere im Binnenverkehr halbiert hat, bei Pendelnden ein Drittel weniger. Dies geschah zwischen 2012 und 2018, also deutlich vor Corona. Im Ziel- und Quellverkehr über die Stadtgrenzen hat der MIV sogar zugenommen, fast in dem Maße, in dem der ÖV zurückging. Der alte Glanz ist heute verblasst. Verstärktes Radfahren und Zufußgehen sind gesund und ein Zeichen guter Fuß- und Radverkehrsförderung. Aber ist Zufußgehen in der Stadt inzwischen attraktiver als die ÖV-Nutzung? Der ÖV darf nicht durch Kürzen weiter an Bedeutung verlieren!
Die vorgestellten Sparmaßnahmen benötigen, da man auf Entlassungen verzichtet ca. 2 bis 3 Jahre, bis sie voll wirken, während Fahrgäste schneller abwandern. Noch schlimmer ist aber, dass eine Rücknahme der Maßnahmen laut Vorlage einen Vorlauf von 2 bis 3 Jahren benötigen würde, da der Markt an Fahrpersonal bundesweit leergefegt ist. Bei einer derzeit geplanten „temporären“ Sparmaßnahme bis nominell Ende 2028 wäre das wahre Ende wohl erst Mitte 2031 zu erwarten, also erst in vollen 5 Jahren. In dieser Zeit könnte der einst vorbildliche Karlsruher ÖV langfristigen Schaden nehmen.
Daher plädieren wir dafür, die Entscheidung zu verschieben und vorrangig
Kürzlich wurde die Prüfung eines Mobilitätspasses beschlossen [s. S. 15]. Dieser kann laut Landesmobilitätsgesetz auch dafür genutzt werden, Verschlechterungen des ÖVs wegen angespannter Haushaltslage zu verhindern. Es wäre widersinnig, Kürzungen zu beschließen, die sich kaum rückgängig machen lassen, wenn relativ kurz darauf eine Prüfung ergäbe, dass das Defizit anders und in ähnlicher Größe ohne Nachteile für den ÖV ausgeglichen werden könnte. Ganz aktuell wurden Mittel aus dem Sondertopf für Investitionen angekündigt, was bei Verwendbarkeit für Eigenanteile anstehender Projekte (bspw. weiterer barrierefreier Umbau, S31/S32 in die City) das Defizit stärker entlasten könnte als die angekündigten Sparmaßnahmen.
Für „temporäre“ oder dauerhafte Einnahmensteigerungen, ggfs. bis zur Einführung eines solchen Mobilitätspasses, könnte auch eine Erhöhung der Parkgebühren und die möglichst stadtweite Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung dienen oder auch erhöhte Gewerbe- oder Grundsteuern. Diese Maßnahmen wären, wie der Mobilitätspass, auch eine Art Abgabe für die ganze Bevölkerung, für Autofahrende oder für Arbeitsplätze als Übergangs- oder Dauerlösung. Sie wären deutlich schneller umzusetzen. Allerdings federn sie soziale Härten nur teilweise ab. Lediglich die Grundsteuer wäre bei denjenigen, die Bürgergeld oder Wohngeld erhalten, als Nebenkosten berücksichtigt. Außerdem schaffen sie keinen Anreiz, durch Anrechnung auf Bus und Bahn umzusteigen.
Zudem ist die chronische Unterfinanzierung aller Kommunen ein bundesweites Thema, dass seitens der Bundesregierung im Grunde nicht mehr lange ignoriert werden kann, so dass Lösungen dafür kommen müssen.
Statt weiterer Verschlechterungen des Angebots zu beschließen müsste zuerst nach den Ursachen gesucht und dann Lösungen dafür erarbeitet werden, die den ÖV wieder voran bringen und so auch dessen Einnahmen steigern. Kürzungen würden dagegen die Negativtendenz beschleunigen und die Einnahmen weiter senken.
Der zeitliche Verlauf des Rückgangs des ÖV-Anteils, auch im Vergleich zu anderen Straßenbahnstädten im Land1], lässt vermuten, dass er zumindest zum Teil auf die U-Strab zurückzuführen ist. Zum einen entstand durch ständig wechselnde Linienwege und Ausfälle während der Bauzeit Unzuverlässigkeit. Zum anderen wurden danach durch ein neues Liniennetz mit weniger Linien, Stilllegungen von Strecken und Haltestellen in der Innenstadt, schlechterer Verbindungen und längere Wege zum ÖV Kurzstrecken gegenüber Zufußgehen und Radfahrenden sowie beim Pendeln gegenüber dem MIV unattraktiv. Zusätzlich wird auch die zunehmende Unzuverlässigkeit durch häufigen Schienenersatzverkehr und Mangel an Fahrpersonal zum Rückgang beigetragen haben.
Hier wäre vor dem Kürzen zu prüfen, ob beispielsweise andere Maßnahmen wie optimierte Liniennetze oder Ausbildungsinitiativen die Attraktivität wieder steigern können, damit das volle Potential der Kombilösung genutzt und die Einnahmensituation wieder verbessert wird. Auch technische Lösungen wie bessere Vorrangschaltungen, fahrerloser Betrieb sind denkbar. Nur so können die ambitionierten Klimaziele erreicht werden, nicht jedoch durch Kürzungen, die, wie die Vorlage einräumt, zu weiteren Fahrgast- und somit auch Einnahmenrückgängen führen werden. Nach 4 Jahren wäre eine erste Bilanz der Kombilösung angezeigt, damit sie auch für den ÖV ein Erfolg wird.
Zur Kostenehrlichkeit gehört auch anzuerkennen, dass die U-Strab angesichts der negativen Bilanz den ÖV noch nicht hinreichend verbessert hat. Die U-Strab ist bisher in erster Linie ein Projekt mit städtebaulichem Plus, das den Aufenthalt in der Innenstadt angenehm macht. Daher gehört das Abstottern von Zinsen und Tilgung sowie der Mehraufwand des unterirdischen Betriebs dem allgemeinen Haushalt zugeordnet gedacht und sollte nicht dem ÖV zur Last gelegt werden, solange sich der negative Trend nicht umkehrt. Auch wenn das nur die Lösung „Von-einer-Tasche-in-die-andere“ wäre, erschiene die Betrachtung des Zuschussbedarfs des ÖVs danach deutlich anders und ehrlicher. Nur das wirklich vom ÖV selbst verursachte Defizit wird diesem dann angelastet.
Zur Kostenehrlichkeit gehört ebenso, dass ein Teil der Ursachen auch in Berlin liegt. So hat der Bund das an sich gute Deutschlandticket, das für mehr Fahrgäs-te sorgt, nicht mit ausreichend Finanzmitteln ausgestattet. Stattdessen werden durch Senkung der Luftverkehrssteuer und Anhebung der Pendlerpauschale fossile Energien stärker subventioniert. Mit Abbau fossiler Subventionen statt Aufstocken wäre genug Geld für den ÖV vorhanden. Uns Karlsruher Bürgerinnen und Bürger die Folgen tragen zu lassen, ist kein zielführender Weg, sondern führt noch tiefer in die Krise.
Angesichts des drohenden großen Schadens für den ÖV und des prognostizierten Defizits von bis zu 150 Mio. € sind die Einsparungen von nur 5 Mio. € viel zu gering: 10 % Leistungskürzung für 3 % Defizitreduzierung. Bei weiteren „Sparmaßnahmen“ dieser Art wäre der ÖV dreimal schneller auf Null reduziert als das Defizit. Das ist eindeutig die falsche Taktik. Stark vereinfacht gerechnet würden schon 6600 neu gewonnene Nutzende des Deutschlandtickets diese 5. Mio. € einbringen. Daher appellieren wir, trotz angespannter Haushaltslage keine über-stürzten und schwer rückgängig zu machenden Entscheidungen zu treffen. Nicht kaputt sparen, sondern wieder zum Erfolg führen!
Präsention des Sparkonzepts:
web1.karlsruhe.de/ris/oparl/bodies/0001/downloadfiles/00671841.pdf
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1] Beigelegt haben wir die folgende Grafik der Fahrgastentwicklung seit 1974. Vergleiche sind schwierig, da sich die Methoden ab und zu ändern (siehe Sprung bei den Stuttgarter Zahlen Tram+Bus, in Karlsruhe fand der Methodenwechsel kurz vor Corona statt) und nicht überall durchgehende Datenreihen im Netz auffindbar waren, aber man sieht die gegenüber anderen Datenreihen abweichende Tendenz im Karlsruher Stadtgebiet ab ca. 2011 deutlich, dem Jahr des Baubeginns der U-Strab. Die AVG folgt diesem Trend deutlich weniger stark!
Grafik: Heiko Jacobs Skala: Millionen Fahrgäste |