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Flaschenhals Winden —Wörth: 2. Gleis 1864 vorbereitet, aber nie gebaut, vorhandener Platz durch die Stadtbahn punktuell in Wörth genutzt; Fotos: Heiko Jacobs |
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Warum nur radeln so wenige? Hmmm ... |
Im Rahmen der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss der zweiten Auto-Rheinbrücke, unterstützt auch vom VCD, wurde 2021 ein Vergleich ausgehandelt, der u. a. die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie umfasste. Sie sollte Verbesserungspotentiale für den Öffentlichen Verkehr (ÖV) über den Rhein hinweg ausloten. Deren Ergebnis wurde am 27. März vorgestellt.1)
Der Fokus lag dabei nur auf den rheinquerenden Verkehr, nicht auf Verbesserungen, die alleine auf einer Rheinseite sinnvoll sein könnten. Außerdem konnten viele Ideen nur grob angerissen werden, detailliertere Untersuchungen müssten ggfs. folgen, sollten sie auf fruchtbaren Boden fallen. Dem „Ohnefall“, als allenfalls mit schon beschlossenen Maßnahmen weiterentwickelter Ist-Zustand, werden die „Mitfälle“ 1 „Maximum-ÖV“, 2 „Push & Pull2)“ und 3, eine Kombi aus guten Teilen dieser beiden für 2030 gegenübergestellt. Potentielle Maßnahmen wurden aus Papieren von BUND, PRO BAHN und diversen öffentlichen Trägern entnommen oder vom beauftragten Büro Ramboll selbst entwickelt, mit den Beteiligten abgestimmt, mit Kostenschätzungen versehen und nach standardisiertem Verfahren bewertet.
Derzeit nutzen rund 80 % der Rheinquerenden Autos, der Rest den ÖV, ganz wenige das Rad. Derzeit sind Taktverdichtungen auf der eingleisigen Strecke Winden —Wörth praktisch nicht möglich, auch der Bahnhof Wörth ist ein Engpass, allenfalls längere Züge sind möglich. Im Ohnefall ist die Umstellung auf Akkuzüge enthalten, Blockverdichtung zwischen Wörth und Karlsruhe, Ausbau Wörth — Hagenbach, Umbau Bahnhof Wörth, diverse Rad- und Busnetzplanungen, Stundentakt Wörth — Strasbourg, sowie zweite Autobrücke samt Querspange etc. Der Einfluss auf den Anteil des Autoverkehrs ist dabei aber eher minimal.
Der Mitfall 1 „Maximum-ÖV“ enthält fast alle vorgeschlagenen ÖV-Verbesserungen wie neue Haltepunkte, Schnellbusse und -züge, neue Direktverbindungen, längere Züge, dichtere Takte, neue On-Demand-Verkehre, Streckenreaktivierungen und -neubauten. Nur drei Vorschläge wurden negativ bewertet und aussortiert. Der ÖV-Anteil über alle Rheinbrücken steigt leicht, der in Wörth sinkt aber wegen der Verlagerung auf die reaktivierte Wintersdorfer Brücke. Weiter verfolgt wurden die On-Demand-Verkehre, der Expressbus von Herxheim über die 2. Autobrücke (!) und zusätzliche Stadtbahnen nach Germersheim, aber nicht Verdichtungen nach Landau, da der nötige Ausbau der Strecke völlig offen ist.
Der Mitfall 2 „Push & Pull“ enthält Maßnahmen wie höhere Parkgebühren, weniger Stellplätze, Tempolimits, Sonderspuren, Busbeschleunigung, Park&Ride, Bike&Ride, billigerer ÖV, Digitalisierung, Radnetz etc. Aber auch Verzicht auf Straßenbau, allerdings ohne Rheinbrücke und Querspange, (die aufgrund des Vergleichs leider nicht zur Disposition gestellt werden konnten), und Ausbau der B 10 in der Pfalz (der als begonnen galt). Alles andere hatte keinen relevanten Einfluss auf Rheinquerungen. Zwei negativ bewertete Maßnahmen schieden im Vorfeld aus, andere konnten nicht brauchbar modelliert werden. Modellierbar waren Tempolimits und Mobilitätspass. Der ÖV-Anteil über den Rhein stiege in diesem Modell von 21 % auf 24 %. Tempo 30 und Pass wurden zusammen mit nicht modellierbaren Maßnahmen weiterverfolgt.
Der Mitfall 3 „Entwicklungsszenario“ kombiniert diese mit den aus Mitfall 1 extrahierten Maßnahmen, denn sowohl „Push & Pull“, als auch ÖV-Ausbau sind wichtig und wirken am besten zusammen. Der ÖV-Anteil über den Rhein stiege in diesem Modell auch von 21 % auf 24 %: 17 % mehr ÖV-Fahrgäste, 5 % weniger MIV-Nutzer.
Schon mit der „angezogenen Handbremse“ konnte gezeigt werden, dass ein Bündel an Maßnahmen aus ÖV-Verbesserungen und Push & Pull die ÖV-Nutzung steigern kann. Insgesamt ist der Effekt aber nicht so groß: 17 % mehr ÖV-Nutzung verschiebt nur 3 % beim Modal Split, eine effektive Verkehrswende ist das noch nicht wirklich ...
Was könnte man erreichen, wenn man nicht mit angezogener Handbremse an das Thema rangeht? Also nicht nur die Rheinquerenden betrachten, wir wollen ja überall den Modal Split zugunsten von Rad und ÖV verbessern, und auch das Denkverbot bezüglich Verzicht auf 2. Autobrücke und Querspange und weiterem B10-Ausbau in der Pfalz kippen. Und vor allem muss man die Beseitigung von Engpässen forcieren, allen voran der eingleisige Abschnitt Winden —Wörth und die fehlende Elektrifizierung Neustadt —Wörth.
Und man sollte noch weiter denken. Immer wieder hört man in Diskussionen, das Ganze bringe nichts, weil man brauche ja das Auto, um von X nach Y zu kommen, da gäbe es keinen ÖV, der das in brauchbarer Zeit schafft. Es würde zum einen die Verkehrswende deutlich voran bringen, wenn möglichst viele, die von X nach Y doch einen guten ÖV vorfinden, diesen auch nutzen (genau dort würde „Push & Pull2) ansetzen). Das sind in der Regel heute die großen Achsen von größeren Orten in die Innenstädte der Ober- und Mittelzentren. Zum anderen sollte man aber auch die Fokussierung alleine auf diese Zentren und Achsen in Frage stellen. Dort finden sich zwar viele Ziele wie Arbeitsplätze in Handel, Bildung und Dienstleistungen, die auch von Kunden aufgesucht werden etc., aber viele Arbeitsplätze, besonders im gewerblichen Bereich, bleiben so unberücksichtigt, weil sie weitab der heutigen ÖV-Achsen liegen. Beispielsweise liegen in Karlsruhe viele Gewerbegebiete an Autobahn, Südtangente und B 36 und sind daher optimal mit dem Auto, aber nur suboptimal mit dem ÖV zu erreichen, obwohl durchaus Schienen oder Buslinien in der Nähe liegen. Teils ohne Personenverkehr (was sich nach Neureut hoffentlich bald ändert), teils schlecht vernetzt und schlechte Takte, so kann die Verkehrswende dort leider keinen Blumentopf gewinnen und das Auto bleibt Sieger im Wettbewerb von MIV und ÖV.
2) pull = ziehen = gutes ÖV-Angebot lockt
push = schieben = Alternativen stutzen